Reden statt tun – Was ist ein «Value-Intention-Action-Gap»?
Den Unterschied zwischen dem, was uns wichtig ist und der Art, wie wir effektiv handeln, nennt die Wissenschaft «Value-Intention-Action-Gap» (Wert-Absicht-Handlungs-Kluft). Er spielt in vielen Bereichen des Lebens, und damit auch im Klima- und Umweltschutz, eine bedeutende Rolle:
Dir liegt zum Beispiel viel an deiner eigenen Gesundheit (Value) und du weisst, dass du dich dafür gesund ernähren und dich bewegen solltest (Intention), trotzdem isst du Fast-Food und hast wenig Lust auf Sport (Action). Oder: Du befürwortest Gerechtigkeit und faire Löhne (Value) und möchtest keine Ausbeutung unterstützen (Intention), möchtest allerdings gerne trendig aussehen (Intention) und kaufst dir deshalb trotzdem das neueste Paar Marken-Sneakers (Action).
Gründe für das Entstehen dieses Gaps gibt es viele:
- Aus den Werten entstehen keine relevanten Handlungsabsichten
- Fehlende Möglichkeiten, eigene Werte und Absichten in Taten umzusetzen
- Kollidierende Werten (z. B. trendig aussehen versus Gerechtigkeit und faire Löhne)
- Mangelndes Vertrauen in die Wirksamkeit des eigenen Handelns (z. B. wenn man nicht glaubt, dass die Flasche wirklich recycelt wird, wenn man sie in die Recycling-Tonne wirft)
- Gegenanreize (z.B. fair produziertes Produkt ist teurer als nicht faires Konkurrenzprodukt)
- Soziale Dilemmas (Nicht alle können sich gewisse Handlungsoptionen leisten)
- Fehlende Alternativen
- Aggressives Marketing für Verhalten oder Produkte, die nicht den eigenen Werten entsprechen
Diese Gründe werden verstärkt durch die Tatsache, dass es oft anstrengend und unbequem ist, sich für seine Werte einzusetzen und die dafür nötigen Veränderungen der eigenen Handlungsweise vorzunehmen. Damit wir zum Handeln bereit sind, muss man:
- sich Wissen über ein bestimmtes Thema aneignen
- dann müssen aus diesem Wissen Werte entstehen
- und aus diesen Werten müssen konkrete Vorhaben formuliert werden
- danach müssen Möglichkeiten erkannt, das Vorhaben umgesetzt werden
- das Vorhaben darf nicht gestört werden (z.B. durch Gegen-Anreize)
- schliesslich muss tatsächlich gehandelt werden
Um den «Value-Intention-Action-Gap» zu mindern oder zu schliessen, muss der Grund für die Differenz verstanden und die Menschen an ihre Werte erinnert werden. Man muss sie darin bekräftigen, für ihre Werte einzustehen, Handlungsoptionen und Möglichkeiten aufzuzeigen und helfen, das Umsetzen des Vorhabens einfacher zu gestalten und es unbequem machen, sich entgegen den besagten Werten zu verhalten.
In den Beispielen könnte das bedeuten, dass man sich anstelle von Fast Food für einen ausgewogeneren Imbiss entscheidet und sich mit Freunden zum Sport verabredet, um motivierter zu sein. Und für ein trendiges Aussehen muss man Sneakers nicht neu kaufen – mit etwas Geduld findet man diese auch gebraucht. Und wenn man sich nicht sicher ist, was die Gemeinde genau macht, wenn sie Recycling verspricht, kann man nachfragen und sich die Prozesse aufzeigen lassen.
Die Künste und das Design können viel dazu beitragen, den Gap zwischen Wert/Absicht/Handlung zu schliessen. Mit innovativen, emotionalen und prägenden Aktionen, Interventionen, Objekten u. a. können sie zur Handlung animieren. Genauso, wie es eine Marketingkampagne schafft, zu mehr Konsum anzuregen, können die Künste und das Design zu nachhaltigem Handeln aktiv Einfluss nehmen.