"Wir haben die Wildheit verlernt - vor allem die Wildheit der Liebe.
Vergeblich ermahnen uns die Engel, die uns zuweilen stumm berühen, nicht mit uns zu kargen."
Jahnns visionärer Blick auf das verwüstete Schlachtfeld der jugendlichen Psyche ist erschreckend plastisch. Die Sehnsüchte sind gewachsen, wie Metastasen durchziehen sie unsere Gesellschaft und viele von ihnen sind in den Untergrund gegangen: alsVerbrechen, als Verzweiflung, als Narzissmus, als Radikalismus, als Vandalismus, als Alkoholismus, als Terrorismus. Immer einsamer, immer stärker, immer wilder, immer mehr. Aber die Orte, wo sie sich niederlassen können, Heimat finden in dieser Gesellschaft, werden karger.
"Man hört aller Orten den Schrei nach dem Zeitstück. Solange dieser Schrei ertönt, wird es kein gutes Theater der Gegenwart geben."
Hans Henny Jahnns Strassenecke entstand 1929/30. Eine Aufführung wurde vom Reichspropagandaminister wenig später verboten. 1965, sechs Jahre nach dem Tod des Autors, gelangte das Stück in der Regie von Claus Peymann zur Uraufführung. Jetzt, 75 Jahre später, findet die Geschichte über den Fall des Negers James zum ersten Mal den Weg auf eine Schweizer Bühne - und wirkt aktueller denn je.
Schauplatz Strassenecke - wer ist hier der Neger?
Hans Henny Jahnn, Dichter, Orgelbauer, Baumeister, Verleger, Tierzüchter, Hormonforscher und engagierter Schriftsteller erinnert uns: "Der menschliche Geist hat nur einen Besitz, nur ein Instrument, die Daseinsform Mensch entspricht nur einer Quelle: Erinnerung. Erinnerung reicht bis in die Zukunft. Die Erinnerung eines einzelnen Menschen ist länger als ein Leben."