«Ungefüge – Territorium, Sorge, Subsistenz»
Gast: Gerald Raunig, Philosoph, Zürich/Wien/Málaga
Vortrag: «Ungefüge – Territorium, Sorge, Subsistenz»
senseABILITIES – Politik der Affekte im Anthropozändiskurs
«Wir müssen denken» – die in ihrer Wiederholung fast apodiktische Beschwörungsformel der feministischen Wissenschaftstheoretikerin Donna Haraway in ihrem letzten Buch «Staying with the Trouble» (dt. «Unruhig bleiben») erinnert die Lesenden an die Dringlichkeit, die Zusammenhänge zwischen den komplexen Problemen globaler Grössenordnung und der Art, wie wir uns in der Welt sehen und denken, zum Ausgangspunkt für eine Kurskorrektur zu nehmen – ein Kurs, auf den uns die abendländische Denkgeschichte gebracht hat und der in den Erzählungen fortdauert, mit denen wir uns die Welt erklären. So scheint Haraway der Begriff des Anthropozäns nicht gut genug gedacht, entstammt er doch der gleichen Logik, deren Folgen er zu problematisieren sucht: er rückt die Menschen ins Zentrum und schreibt ihnen die Grösse zu, ein eigenes Erdzeitalter zu verantworten. Ihr Gegenvorschlag, das fast unaussprechliche Chthuluzän, versucht eine andere Betrachtungsweise zu benennen – kurz, nicht die Abhängigkeit alles Irdischen vom Menschen, sondern die mitunter tödliche Abhängigkeit alles Irdischen, so auch des Menschen, von allem Irdischen – ein notwendiges Umdenken durch ein Denken wechselseitiger Beziehungen und Abhängigkeiten, ein Anerkennen von Verwandtschaften und die notwendige Sorge darum. In der Suche nach einem anderen Denken spielen die Künste, das zeigt der Diskurs um Anderes Wissen an, eine nicht unbedeutende Rolle, weil sie die Fragen der Wahrnehmungen und Sensibilitäten ebenso wie die nach den Formen des Erzählens, Darstellens und Mitteilens als ihr Kerngeschäft kennen. So verwundert es nicht, dass Themen wie Narrating the Anthropocene, – the Mesh, – Nonhuman Spaces, «Sometimes I hear plants whisper», um nur einige sprechende Titel zu nennen, derzeit eine grosse Konjunktur haben – auch und gerade in den Ausstellungs- und Aufführungsstätten, in den Kunsthochschulen [quod erat demonstrandum], Filmfestivals usw.
In der Vortragsreihe Positionen & Diskurse möchten wir uns mit Gästen über Fragen in diesem Diskursfeld informieren und diese diskutieren, wobei es von der Dringlichkeit neuer Empathiefähigkeiten gegenüber Nicht-Menschlichem bis zur Problematisierung neoromantischer Konstruktionen ruhig auch kontrovers werden darf.
Die Herbstakademie mit dem Thema «Die «Ich-Funktion» in der Theorie und das Schreiben aus (m)einem Körper» fokussiert situierte Theoriepraktiken, die auch in senseABILITIES eine zentrale Rolle spielen. Ein Besuch beider Programme wird empfohlen.
Programm HS 20/21
04.10. Katrin Köppert
25.10. Katharina Hoppe
01.11. Yvonne Volkart
08.11. Riikka Tauriainen
15.11. Peter Spillmann
22.11. Filipa Cesar
29.11. Anselm Franke
06.12. Gerald Raunig
jeweils Montagabend, 18-20 Uhr