Livestream: Hommage à Antonio Tusa (1900–1982)
Kammerensemble der Zürcher Hochschule der Künste
Dirigierklasse Johannes Schlaefli - Leitung
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Joseph Haydn (1732–1809)
Sinfonie Nr. 85 in B-Dur, H.I:85, "La reine" (1785-86)
Adagio – Vivace (Ustina Dubitsky - Leitung)
Romance. Allegretto (Tobias Wögerer - Leitung)
Minuet – Trio (Jakub Przybycień - Leitung)
Finale. Presto (Jakub Przybycień - Leitung)
Franz Schubert (1797–1828)
Arpeggione-Sonate
orchestriert von Antonio Tusa
'Dr. Hermann Scherchen herzlichst gewidmet'
UA 11. Dezember 1935 unter der Leitung von Hermann Scherchen
Allegro moderato
Adagio
Allegretto
Samuel Niederhauser - Violoncello
Gewinner des ZHdK-Arpeggione-Cellowettbewerbs vom 5. Dezember 2020
Delyana Lazarova - Leitung
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Joseph Haydn (1732–1809) - Antonio Tusa (1900–1982) - Franz Schubert (1797–1828) |
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Antonio Tusa 1 - Fotoquelle: Bildarchiv Winterthur. Das Bild darf von Medienschaffenden unter Angaben der Quelle frei verwendet werden, ganz oder in Auszügen. |
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Antonio Tusa 2 - Fotoquelle: Bildarchiv Winterthur. Das Bild darf von Medienschaffenden unter Angaben der Quelle frei verwendet werden, ganz oder in Auszügen. |
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Titelblatt der handschriftlichen Partitur (Sammlung Winterthur) |
Joseph Haydn (1732–1809)
Sinfonie Nr. 85 B-Dur (La Reine), Hob. I:85
Die Sinfonie Nr. 85 gehört zusammen mit den Sinfonien Nr. 82 bis 87 zu den sogenannten Pariser Sinfonien. Es handelt sich um Auftragskompositionen für das Pariser „Le Concert de la Loge Olympique.“ Das Werk entstand vermutlich 1785. Zur Entstehungsgeschichte siehe bei der Sinfonie Nr. 82.
Der Beiname „La Reine“ (Die Königin) basiert wahrscheinlich auf dem Untertitel „La Reine de France“ in der Erstausgabe des Werkes vom Verleger Imbault. Ursprung des Titels ist vermutlich, dass die französische Königin Marie Antoinette Protektorin der Konzertreihe der „Loge Olympique“ war (und) oder darauf, dass sie die Sinfonie besonders geschätzt haben soll.
Antonio Tusa (1900–1982)
Antonio Tusa war einer der bedeutendsten Schweizer Cellisten des 20. Jahrhunderts. Geboren am 26. April 1900 in Zürich, begann er im Alter von 12 Jahren mit dem Cellospiel und war ab 1914 Schüler von Joachim Stutschewsky. Ab 1918 studierte er in der Klasse von Fritz Reitz am Konservatorium Zürich und besuchte Theorie- und Kompositionsunterricht bei Lothar Kempter. Nach dem Diplomabschluss nahm er in Deutschland Privatunterricht bei Hugo Becker und Emanuel Feuermann.
Nach einem einjährigen Engagement in Düsseldorf trat Tusa 1926 eine Stelle als Zweiter Cellist im Stadtorchester Winterthur an und wurde dort 1927 zum Solocellisten und in das Winterthurer Streichquartett gewählt. Diese Positionen besetzte er bis 1973. Von 1938 bis 1967 gehörte er zudem dem Schweizerischen Festspielorchester Luzern an und spielte 1977/78 im Orchestra della Svizzera italiana.
Tusa war ein gefragter Solist und Kammermusiker. Am 13. April 1934 spielte er in Winterthur unter der Leitung von Richard Strauss den Cello-Solopart in dessen symphonischer Dichtung Don Quixote op. 35.
Sein Spiel wird als sehr intuitiv beschrieben. Zudem war er ein phänomenaler Primavista-Spieler. Eine Stelle konnte ihm besser gelingen, wenn er sie vom Blatt spielte, als wenn er über sie nachgedacht und sie geübt hatte.
Pablo Casals sagte über Tusa: „Il est diablement doué («Er ist teuflisch begabt»).“
Der kompositorische Nachlass von Antonio Tusa befindet sich in der Sammlung Winterthur der Winterthurer Bibliotheken sowie in den Nachlasssammlungen der Musikabteilung der Zentralbibliothek Zürich.
Franz Schubert (1797–1828)
Arpeggione-Sonate in a-Moll (1824), in orchesteraler Fassung geschrieben von Antonio Tusa (1935)
Antonio Tusas Orchestrierung der Arpeggione-Sonate wurde am 11. Dezember 1935 unter der Leitung von Hermann Scherchen in Winterthur uraufgeführt, dem ist die Partitur auch gewidmet ist.
Tusa schrieb sich über seine Bearbeitung:
Die Arpeggione oder „Guitare d’amour“ war eine grosse Streichguitarre mit 6 Saiten, die wie ein Cello gespielt wurde. Der Erfinder der Arpeggione, der Instrumentenmachen Georg Staufer (1778-1853) in Wien, verfertigte im Jahre 1823 das erste Exemplar derselben, dem aber nur wenige folgten. Wegen der schwierigen Applikatur und ihres matten Klanges fand dieses Instrument keinen Eingang in musikalischen Kreisen und geriet in Vergessenheit. Der Erfinder hat ihm den Namen Arpeggione gegeben, weil es zu Arpeggien geeignet war („Arpeggio“ heisst gebrochener Akkord). Die Arpeggione war nach Art der alten Lauten und Violinen gestimmt, nämlich e-a-d-g-h-e. Schubert, der im November 1824 nach Wien zurückgekehrt war und Gelegenheit hatte, das neue Instrument kennenzulernen, wurde dadurch zu dieser Komposition angeregt, die er kurz darauf beendete. Der erste Satz der Sonate ist reich befrachtet mit virtuosen Figuren. Der langsame Satz ist vorwiegend lyrisch und intim konzipiert. Eine kurze Kadenz bildet den Uebergang zu einem Allegretto, dem der Charakter eines heiteren Rondos eigen ist. Tänzerische Reigen, beschwingte Rhythmen und innig kantable Zwischenepisoden beschliessen diesen frohen Satz.
Bei jeder Aufführung mit Cello und Klavier hatte ich die Vorstellung, dass das Werk durch eine Orchestrierung gewinnen könnte. Einige Stellen der Begleitung sind dürftig.Es existieren mehrere Orchesterbearbeitungen der Arpeggione-Sonate. Am verbreitetsten sind Fassungen für Streichorchester. Die grösste Besetzung verwendet der spanische Cellist Gaspar Cassadó (1897–1966) in seiner Fassung für Sinfonieorchester mit doppelten Holzbläsern, vier Hörnern, 2 Trompeten, Pauken und Streichern aus dem Jahre 1928. Cassadó geht zudem mit Schuberts Vorlage sehr frei um und erweitert sie mit orchestralen tutti-Einschüben und freien virtuosen Passagen im Solo-Cello-Part.
Antonio Tusas Bearbeitung ist filigraner orchestriert (doppeltes Holz, 2 Hörner, Harfe und Streicher). Durch den Einsatz der Harfe begeht Tusa zwar einen Stilbruch – Franz Schubert verwendet in seinen Sinfonien nie Harfe - , gewinnt aber dadurch eine geheimnisvolle Klangfarbe. Einen ähnlichen Effekt erreicht Luciano Berio durch die Celesta in seiner „Rendering“ genannten Auskomponierung der Schubert’schen Skizzen zur 10. Sinfonie.
Tusa hält sich streng an die originale Struktur der Arpeggione-Sonate. Seine Partitur ist bis heute unveröffentlicht geblieben. Das heutige Konzert ist ein Versuch, diese gelungene Orchesterfassung in der Musikwelt bekannter zu machen.
Lehel Donath
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zhdk.ch/zhdkorchester