Du beschreibst dein Fachgebiet als Medienszenografie, was über das klassische Verständnis von Bühnenbild, das du studiert hast, hinausgeht. Was für Projekte machst du?
Ich arbeite in verschiedenen Bereichen der Medienszenografie, von traditionellen Theater- und Opernproduktionen über Live-Konzert- und Showdesign bis hin zu zeitgenössischen Kunstinstallationen und interaktiven Ausstellungen. Für mein Masterprojekt an der ZHdK habe ich beispielsweise mit einer Tänzerin zusammengearbeitet, um eine Multimedia-Installation mit Motion Tracking und Videoprojektion zu schaffen. Die Installation selbst war als permanente Präsenz konzipiert und mit Ton, Licht, Video und einer physischen Bühnenstruktur gestaltet. Ein zentraler Aspekt war der Teil, in dem die Tänzerin auftrat. Wir haben Tracking-Technologie eingesetzt, um ihre Bewegungen zu erfassen und die Beleuchtung, das Video und andere Elemente zu steuern. Ein aktuelles Projekt ist eine grosse Kunstinstallation, die ich gerade mit Urs Schönebaum in der Park Avenue Armory in New York realisiert habe und die Stockhausens elektronische Musik mit Video und Licht kombiniert. Die Musikstücke selbst stammen aus seinem Opernzyklus «Licht», der normalerweise sieben Tage dauert. Die ausgewählten elektronischen Kompositionen waren eine abstrakte Darstellung dieses epischen Werks, das einem Publikum aus Opernliebhabern und Fans elektronischer Musik präsentiert wurde. Die Stücke wurden von Tonband abgespielt, begleitet von Video und Licht, in einer Galerie, die die Besucher:innen viereinhalb Stunden lang in diese Atmosphäre eintauchen liess.
Was fasziniert dich an solchen Projekten?
Solche Projekte zeigen, wie Theater und Installationen verschmelzen können und sich von traditionellen Bühnenformaten hin zu immersiven Erlebnissen entwickeln, die das Publikum aktiv einbeziehen. Ich persönlich finde es besonders spannend, wenn diese Grenzen verschwimmen und neue Formen entstehen, die Technologie und Kunst auf neue Weise verbinden.
Wie gehst du an deine Projekte heran?
Meine Herangehensweise variiert stark je nach Art des Projekts. Bei traditionellen Produktionen wie einer Wagner-Oper arbeite ich eng mit dem vorhandenen Material und dem künstlerischen Team zusammen. Ich bin immer wieder erstaunt, wie bereichernd diese Erfahrung ist. Es gibt so viel zu lernen, und das auf so angenehme Weise, indem man mit Menschen aus unterschiedlichen Bereichen diskutiert. Wenn ich mit Künstler:innen zusammenarbeite, wie kürzlich mit dem deutschen Sänger Herbert Grönemeyer, sind der Künstler selbst, die Musik und der einzelne Song genauso wichtig wie die Gesamtdramaturgie der Show. Für unabhängige Installationen lasse ich mich oft von meiner Umgebung und aktuellen Themen inspirieren. Für «Quantum Dreams» habe ich beispielsweise intensiv mit künstlicher Intelligenz gearbeitet, um eine künstlerische Interpretation zu schaffen, die soziale und technologische Fragen aufgreift.
Kannst du kurz erklären, was «Quantum Dreams» ist?
«Quantum Dreams» war meine letzte Installation in der Zentralwäscherei in Zürich, in deren Mittelpunkt der Einsatz künstlicher Intelligenz (KI) stand. Eine KI analysierte und dekonstruierte die Werke eines Künstlers, die wiederum als Grundlage für meine Video- und Raumanimationen dienten.
Eine zweite KI interpretierte meine künstlerische Arbeit selbst und lieferte neue Erkenntnisse, was faszinierend und zugleich etwas beunruhigend war, da es tiefgreifende Fragen aufwarf. Es entstand eine Diskussion darüber, ob das Ergebnis lediglich eine Sammlung der besten Beiträge aus dem Internet war oder ob es tiefere Bedeutungen und verborgene Ebenen in den Bildern offenbarte, die mir zuvor verborgen geblieben waren.
Welche Rolle spielt Technologie in deiner Arbeit?
Ich interessiere mich sehr für technologische Innovationen, aber in meiner eigenen Arbeit versuche ich, sie subtil einzusetzen, ohne dass sie dominieren, und gleichzeitig die Möglichkeiten zu nutzen, die moderne Technologie bietet. Das Tracking der Tänzerin, das ich erwähnt habe, war ein Beispiel dafür, wie Technologie die künstlerische Vision unterstützen kann.
Nutzt du Technologie, um die Wirkung deiner Arbeit zu verstärken?
Mein Ansatz ist, dass jedes Projekt nicht nur ästhetisch ansprechend sein soll, sondern auch gesellschaftliche Diskussionen anregen und zum Nachdenken anregen soll. Bei «Quantum Dreams» finde ich es besonders interessant, wie sich die öffentliche Meinung zu künstlicher Intelligenz im Laufe der Zeit verändert hat. Als wir dieses Projekt realisierten, war die Debatte sehr polarisiert: KI wurde entweder als ultimative Heilung gepriesen oder als Bedrohung angesehen, die unsere Welt übernehmen könnte. Unser Ansatz war jedoch ein anderer – wir sahen KI als ein Werkzeug, das wir kreativ nutzen können. Obwohl es nicht das Hauptthema war, haben wir KI poetisch in unsere Arbeit integriert. Wir wollten KI weder bekämpfen noch bedingungslos begrüssen, sondern als Werkzeug nutzen. Die Besucher konnten erleben, wie KI in der Kunst eingesetzt werden kann, um Werke zu schaffen, die Wärme und Empathie ausstrahlen – etwas Menschliches trotz der technologischen Grundlage.
KI ist nach wie vor ein grosses Thema. Möchtest du weiter damit arbeiten?
Dieses konkrete Projekt wird sogar weiterentwickelt. Im Sommer 2025 werden wir im Naturhistorischen Museum in Freiburg nicht auf einer Kunstsammlung aufbauen, sondern mit einer Herbariumsammlung arbeiten. Diese Sammlung ist eine der grössten, die ich kenne – ich bin mir nicht sicher, ob sie die grösste der Welt ist, aber sie ist auf jeden Fall beeindruckend. Sie umfasst rund 100'000 Herbarien aus aller Welt, von denen einige bis zu 200 Jahre alt sind. Es ist äusserst faszinierend, gemeinsam mit Wissenschaftler:innen aus diesen Herbarien Erkenntnisse über die Natur und den Klimawandel zu gewinnen und diese in Kunst zu übersetzen. Es ist unglaublich spannend, wie verschiedene Disziplinen und Themen zusammenkommen. Projekte wie dieses sollen nicht nur unterhalten, sondern auch zum Nachdenken anregen und neue Perspektiven eröffnen.
Das Interview führte Ann Mbuti.