«Schluss mit Swissness», «Toblerone-Büezer wagen was!» titelten im Frühjahr sowohl die «Wochenzeitung» als auch die Gewerkschaftszeitung «Work». Bei der wohl bekanntesten Schweizer Schokolade – seit den 1990er Jahren im Besitz des US-amerikanischen Konzerns Mondeléz International – war einiges im Gange. In Bern gingen die Arbeiter:innen in den Lohnkampf, ausserdem sollen Teile der Produktion künftig in die Slowakei verlagert werden. Damit verliert die Schweizer Schokolade – deren charakteristisch prismatische Form ebenso wie das dazugehörige Logo an die Bergwelt, insbesondere das Matterhorn, erinnern soll – die seit 2017 streng geschützte Herkunftsbezeichnung «Swiss Made» und ihre auf die Spitze getriebene Ikonizität. Ein herber Schlag für dieses (Schokoladen-)Stück internationaler Schweizer Erfolgsgeschichte.
Was die meisten Menschen ausserhalb der Schweiz allerdings nicht wissen: Auch die in Schweizer Landschaften zahlreich vorzufindenden Panzersperren werden umgangssprachlich «Toblerones» genannt. Aufgrund ihrer der Schokolade nicht ganz unähnlichen Pyramidenform. Unter der offiziellen Bezeichnung Geländepanzerhindernisse wurden diese Sperrriegel hauptsächlich während des Zweiten Weltkrieges als Verteidigungsanlagen gegen einen möglichen Angriff aus Deutschland errichtet. Seit den 1990er Jahren haben sie militärisch gesehen allerdings keine Bedeutung mehr und sind stattdessen einer zivilen Nutzung zugeführt worden. Ein Teil der Toblerones wird als kulturelles Erbe die Geschichte überdauern. Wie etwa der «Sentiers des Toblerones», ein 17 Kilometer langer Lehrpfad vom Jurafuss bis zum Genfersee. In fliessenden Übergängen führt der Weg in einem bewaldeten Tal zwischen moosbewachsenen Betonhöckern und einem vor sich hin plätschernden Flüsschen hin zu Einfamilienhäusern hinter Thuja hecken, hinab nach Gland, unter der Autobahnbrücke hindurch durch Landwirtschaftsland bis zum sogenannten «Domaine Impérial»-Golfplatz am Lac Léman.
Wie sich der Bedeutungswandel der Objekte seit der militärischen Obsoleszenz vollzogen hat und immer weiter vollzieht, untersucht das ethnografisch-künstlerische und vom Schweizerischen Nationalfonds (SNF) finanzierte Forschungsprojekt „Materialisierte Erinnerungen (in) der Landschaft“ (2019–2023). Forschungsleitend sind hierbei die landschaftlichen, historischen und ästhetischen Übergänge – etwa, wenn einzelne Höcker Teil von Privatgärten werden, Panzersperren als ökologische Verbindungskorridore für die vom Aussterben bedrohte Gelbbauchunke gelten, «Toblerones» aus Beton zu Kinderspielplätzen mutieren oder von Künstler:innen als Land Art in Szene gesetzt werden.
Beides – Schokolade wie Sperren – fallen damit einer Bedeutungsoffenheit anheim, die auch auf die mit ihnen einhergehenden identitätsstiftenden Erzählungen verweist: hier das durch die Verlegung der Produktion in die Slowakei abhandengekommene Qualitätssiegel, dort Relikte der «Alpenfestung» und «Geistigen Landesverteidigung», die sukzessive von Kindern, Kunst und Kleingetier bespielt und mit neuen Geschichten überschrieben werden.