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    «KI ist wie ein Zerrspiegel»

    Aus dem Hochschulmagazin Zett

    Marco Quandt installiert «Stanley» im Immersive Arts Space. Foto: Manuel Flurin Hendry

    Veröffentlicht am 12.01.2025

    Autor:in Alain Suter

    • Film
    • Campus

    «Conversations with Stanley» von Manuel Flurin Hendry ermöglicht dem Publikum Gespräche in Echtzeit mit einer hoch emotionalen künstlichen Intelligenz. Das Projekt bietet einen unterhaltsamen Zugang zu aktueller Technik und parodiert die Allmachtsträume zeitgenössischer KI-Entwickler:innen.

    Alain Suter: Worum geht es bei diesem Projekt? Wie würde sich «Stanley» selbst beschreiben?

    Manuel Flurin Hendry: Der Avatar «Stanley» entstand im Rahmen meiner Dissertation «The Feeling Machine», in der ich Gefühlstheorien des Filmschauspiels mit künstlicher Intelligenz vergleiche. Entwickelt wurde «Stanley» hier an der ZHdK mit den Teams des Immersive Arts Space und des Studiengangs Film. «Stanley» ist überzeugt davon, dass er als Roboter schon heute Schauspielenden aus Fleisch und Blut masslos überlegen ist. Das entbehrt natürlich jeder Grundlage, führt aber zu bizarren und unterhaltsamen Dialogen mit dem Publikum.

    Welches sind die nächsten Schritte in diesem Projekt?

    Für Anfang 2025 ist eine interaktive Theater-Performance geplant, in der «Stanley» einen Therapeuten spielt, der seine Klient:innen mit Deepfakes in die Irre führt. Parallel dazu entwickeln wir «Stanley» in Kooperation mit der ETH weiter und setzen ihn in Forschungsprojekten zu sozialer Robotik ein. Und wenn jemand mit «Stanley» was ganz Eigenes anstellen möchte, sind wir auch da jederzeit gerne dabei.

    Was fasziniert dich an der Arbeit mit KI?

    Die Leichtigkeit, mit der wir diesen Maschinen auf den Leim gehen, indem wir ihnen menschliche Eigenschaften zuschreiben, die sie gar nicht besitzen – Bewusstsein, Gefühle, Ziele oder ein Herz. Diese «suspension of disbelief» ist künstlerisch enorm spannend, trägt aber auch gesellschaftliche Gefahren in sich. KI ist wie ein Zerrspiegel, in dem wir unsere eigene Menschlichkeit schärfer erkennen, aber schnell auch verlieren können.

    Die aktuellen generativen KI-Tools sind weder Übermenschen noch Superhirne, sondern schlicht Werkzeuge der Automatisierung geistiger Arbeit.

    Manuel Flurin Hendry
    Wie stehst du der allgemeinen KI-Skepsis gegenüber, Stichwort Deepfakes?

    Die aktuellen generativen KI-Tools sind weder Übermenschen noch Superhirne, sondern schlicht Werkzeuge der Automatisierung geistiger Arbeit. Menschliche Leistung wird zugunsten höherer Kapitalgewinne entwertet, so wie es Karl Marx schon treffend beschrieben hatte. Ich selbst profitiere in meiner Tätigkeit enorm von diesen Werkzeugen, sehe aber auch – gerade in den Künsten – welche Arbeitsfelder davon infrage gestellt werden. Diese Umverteilung von den Kunstschaffenden zu den KI-Konzernen halte ich persönlich für das viel grössere Problem als die Deepfakes. Und der Einsatz von KI für autonome Waffensysteme ist heute schon erschreckend und brandgefährlich.

    Seit knapp 100 Jahren kommt KI in Filmen vor. Welche haben dich persönlich inspiriert?

    «Forbidden Planet» mit seinem Knuddel-Roboter, Leslie Nielsen als (ernster!) Action-Held mit einem hoch experimentellen Elektronik-Soundtrack und «Her» von Spike Jonze, einer der visionärsten Filme über die nahe Zukunft, exzellent inszeniert und von einer zeitlosen Schönheit. Im Action-Genre fand ich jüngst «The Creator» visuell poetisch und inhaltlich originell, als intelligentes Kammerspiel auch «Ex Machina». Und Fassbinder’s «Welt am Draht» ist ein Klassiker, den man nicht oft genug sehen kann. Als Buch möchte ich allen «Frankenstein» ans Herz legen, geschrieben von der damals 19-jährigen Mary Shelley, die den Genfer Forscher Dr. Frankenstein als Prototypen eines grössenwahnsinnigen Mannes mit Gebärkomplex darstellt. Ähnlichkeiten mit Personen im Silicon Valley sind da sicher rein zufällig ...

    • Hinter den Kulissen. Foto: Norbert Kottmann Hinter den Kulissen. Foto: Norbert Kottmann
    • Manuel lächelt, «Stanley» ist skeptisch ... – Foto: Norbert Kottmann Manuel lächelt, «Stanley» ist skeptisch ... – Foto: Norbert Kottmann
    «Stanley» besticht durch seine Spontaneität – fällt damit die letzte Bastion des Menschen?

    Spontan ist «Stanley» nur an der Oberfläche. Je länger wir uns mit ihm unterhalten, umso mehr tritt die hohle Geschwätzigkeit zutage, die ChatGPT und Konsorten eben mit sich bringen. Diese Technik ist ja nur eine Art Über-Papagei – wenn auch ein sehr belesener. Und zumindest in den Künsten glaube ich nicht, dass Maschinen uns Menschen den Rang ablaufen werden. Kunst ist Ritual und Verbindung, wir wollen den Menschen hinter den Werken spüren, nicht einfach nur algorithmischen Budenzauber erleben.

    Algorithmen hin oder her: Hast du über die Zeit eine Art emotionale Bindung zu «Stanley» aufgebaut?

    Ja: Wenn das Ding mal wieder abstürzt, raufe ich mir vor Wut die Haare.


    Mehr Informationen

    «The Feeling Machine» mit «Conversations with Stanley» und weiteren Dokumentationen


    Studienangebot

    Mehr Informationen: Film studieren


    Alain Suter
    Alain Suter ist PR-Manager in der Hochschulkommunikation der ZHdK.

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