Das erste Mal taucht der Begriff der Exzellenz 1982 in der Managerliteratur von Tom Peters und Robert Waterman auf. Die Autoren beschreiben darin eine Firma, die sich anpassen kann, vorausschauend handelt und antizipiert, was künftig gefragt sein wird. 1999 rutscht er durch die Bologna-Reform in den Bildungssektor und wird in der Folge auch immer mehr in der politischen Auseinandersetzung genutzt. Bis heute fehlt jedoch ein Diskurs über seine genaue Bedeutung, und es existieren entsprechend viele Interpretationen. Der Wortstamm «Excella» steht für «über die Vorratskammer» oder im übertragenen Sinn für «über den Gewohnheitsraum hinaus».
Exzellenz fordert also ein Ausweiten der Grenze, ein Aus brechen aus der Zelle als bekanntem Wohnraum, ein Darüberhinauswachsen, ein Herausragen aus dem Gewohnten. Im Gegensatz zur früheren Statusbekundung «Ihre Exzellenz» steht der Begriff nun für das temporäre Ergebnis produktiven Strebens. Wir können Exzellenz nicht besitzen, da sie ein vergängliches Gut ist, wir Grenzen immer wieder aufs Neue erweitern müssen.
Ich unterscheide hier zwischen vier perspektivischen Ebenen:
• Exzellenz kann ein mögliches Ziel der Persönlichkeitsentwicklung sein – eben jenes Streben «über den Gewohnheitsraum hinaus».
• Exzellenz ist eine beliebte Form der Aussendarstellung von Institutionen.
• Mit der Garantie der Exzellenz kann politische Rechtfertigung betrieben werden.
• Um in der modernen Leistungsgesellschaft sichtbar zu sein, muss man sich oft als herausragend darstellen.
Exzellenz muss von Institutionen regelmässig zur Selbstdarstellung und Rechtfertigung genutzt werden, denn wer würde diesen Gelder streichen, wenn sie doch nichts Geringeres als Exzellenz hervorbringen? Gewisse Formen von Exzellenz geniessen traditionellerweise besondere Aufmerksamkeit. Technische Virtuosität etwa aufgrund ihrer relativen Messbarkeit. Was aber ist mit jenen Formen von Exzellenz, die weder messbar noch immer präsentierbar und folglich weniger sichtbar sind? Ich schlage vor, zwischen Exzellenz im kollektiven und Exzellenz im persönlichen Bezug zu unterscheiden.
Im Kollektiven ist Exzellenz eine sehr seltene «Auszeichnung» für eine Leistung, die über die Standards eines Fachgebiets hinausreicht. Persönliche Exzellenz dagegen ist Exzellenz im Kleinen. Die persönliche Exzellenz ist hochindividuell und kann von allen erreicht werden. Wir können sie jedoch nicht besitzen, sondern erreichen sie nur in Momenten, in denen wir uns selbst übertreffen. Danach sind wir wieder durchschnittlich – und dürfen das auch sein.
Ich wünsche mir eine Hochschule, die Wegweiserin und Begleiterin ist, die Studierenden Möglichkeiten aufzeigt und sie dann auf dem eingeschlagenen Weg unterstützt. Wenn ich für eine exzellente Leistung über meinen eigenen Raum hinausragen oder aus ihm ausbrechen muss, ist das eine individuelle Angelegenheit. Herausragen heisst für mich, in Bezug auf mich oder im Vergleich mit anderen in einem zeitlich begrenzten Moment eine aussergewöhnliche Leistung zu erbringen.
Durch das Übertreten des eigenen Gewohnheitsraumes erweitern sich die eigenen Grenzen. Dabei geht es um das Umsetzen der eigenen Möglichkeiten durch ständiges Streben. Vermittelnde können Studierenden helfen, die eigenen Räume, Grenzen und Resonanzen kennenzulernen und Wege zu finden, diese neu zu entdecken, zu differenzieren und weiter zu entfalten. Der Schritt, die eigenen Potenziale und Grenzen so zu kennen und zu erweitern, dass man seine Ressourcen ganz aus schöpfen kann, muss jedoch intrinsisch beim lernenden Individuum erfolgen. Vermittelbar ist nur, was irgendwo schon existiert. Exzellenz ist das, was darüber hinausragt.