- ZHdK Dossier Internationales: Was hat dich am meisten überrascht in der neuen Stadt?
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Isabell Sterner: Zürich ist sehr strukturiert, die Infrastruktur nobel, die Strassen sauber, die Menschen überdurchschnittlich freundlich, das Essen teuer. Man weiss das vorher, das zu erleben bringt dennoch ein kleines Überraschungsmoment mit sich.
- Was hat dir am besten gefallen?
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Zürich hat ein grosses Kulturangebot, man kann fast jeden Abend auf ein «Opening» oder andere Veranstaltungen gehen. Das ist grossartig und wirkt sich sehr produktiv auf das eigene Studium und die künstlerische Entwicklung aus. Ausserdem gibt es an der ZHdK Räume für jedes künstlerische Bedürfnis. Direkt unterhalb meines Ateliers befinden sich die Musik-Übungsräume. Nach einem langem Ateliertag habe ich oft noch eine Stunde Klavier geübt. Ich habe Leute aus ganz unterschiedlichen Fachbereichen kennengelernt, wodurch neue und genreübergreifende Projekte entstanden sind. Die Lehre ist sehr vielfältig und es gab die Möglichkeit, Einzelmentorate mit vielen unterschiedlichen Protagonist:innen der Kunst- und Museumslandschaft zu bekommen. Das hat meine Praxis befruchtet, aber auch mein Netzwerk nachhaltig gestärkt. Ebenso gibt es viele Projekträume, in denen man unabhängig von Kursen gemeinsam Ausstellungen realisieren kann – ein grosser Vorteil.
- Welche interessanten Erfahrungen hast du machen können und was hat dich besonders geprägt?
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Kunst wird hier ganz anders als an deutschen Kunsthochschulen gelehrt – während dort Praxis und Theorie nahezu dichotomisch getrennt voneinander stattfinden, sind die Grenzen an der ZHdK fliessend.
Ausserdem musste ich aufgrund der neuen Ateliersituation meine Position und die Produktion meiner Arbeiten neu denken – dieser Prozess wurde auch durch die Architektur der ZHdK massgeblich geprägt. In Dresden habe ich in der Regel sehr gross gearbeitet, weil die Räumlichkeiten das hergaben. An der ZHdK haben eine verfügbare Wandfläche von einem Meter, ein Schreibtisch, und kein Lagerraum, meine bisher erarbeitete Praxis erstmal auf den Kopf gestellt. Diese gesamte Neuerarbeitung hat meine künstlerische Position nachhaltig und positiv verändert, da sie auf eine Flexibilitätsprobe gestellt wurde. Ebenfalls waren die Gespräche mit Kommiliton:innen über die künstlerischen Arbeiten maximal gewinnbringend. Und genauso mein Praxisseminar, das den Hauptteil des Master Fine Arts darstellt.
- Welche kulturellen Erkenntnisse bringst du von deinem Austausch mit?
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Dazu gibt es viel zu sagen. Auf jeden Fall versuche ich, die schweizerische Herzlichkeit und Freundlichkeit beizubehalten. An dieser Stelle aber noch eine Anekdote: als ich im November für eine Soloausstellung in einem kleinen «Off-Space» angefragt wurde, kam die Einladung mit der Bitte, keine religiösen, sexuellen oder politischen Inhalte zu zeigen. Solche Neutralitätsverpflichtungen im Kunstbereich hinterlassen bei mir riesige Fragezeichen.
- Was motiviert dich, dich fortzubilden?
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Eine möglichst breite Einsicht und Orientierung in meinen Interessensgebieten sind unabdingbar, um flexibel Wissen und Fähigkeiten anwenden zu können. Etwas möglichst präzise auszudrücken, künstlerisch oder intellektuell ist mir wichtig – das erreicht man nur durch Fortbildung auf verschiedenen Ebenen.
- Brauchen wir Kunst? Und wenn ja, warum?
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Generell glaube ich, dass Menschen gar nicht aufhören können, auf ästhetischer Basis miteinander zu kommunizieren und sich mitzuteilen. Die Frage, ob wir Kunst brauchen impliziert, sie sei ein Nutzgegenstand oder sie würde eine Funktion erfüllen. Das tut sie meiner Ansicht nach aber niemals und genau darin liegt ihr Potenzial.