5am Games entstand, nachdem die drei 2018 ihren Bachelor-Abschluss in Game Design gemacht hatten und ihre Abschlussarbeit im Inkubator-Programm «What's next_Project» des Z-Kubators in eine dauerhafte Praxis überführten. Seitdem konzentrieren sich die drei auf sinnvolle Interaktionen im Spielebereich – Martina und Aleksandra erklären, was das bedeutet:
Wie kam es zu eurer Zusammenarbeit?
Aleksandra: Wir passen sowohl persönlich als auch beruflich gut zusammen. Wir hatten bereits zuvor zusammengearbeitet und im Sommer vor unserem letzten Semester ein Projekt entwickelt, das von Pro Helvetia gefördert wurde. Dieses Projekt wurde zu unserer Abschlussarbeit – das erste Mal, dass eine Bachelorarbeit im Bereich Spieledesign von einem dreiköpfigen Team geschrieben wurde.
Der Übergang vom studentischen Projekt zur beruflichen Praxis erfordert Umstellungen. Wie habt ihr euch in der Zwischenzeit die Aufgaben aufgeteilt?
Martina: Aleksandra ist die Projektmanagerin und Programmiererin, die sich um organisatorische Belange kümmert. Selina ist für die visuelle Gestaltung, 2D- und 3D-Art, UI und Charakterdesign zuständig, und ich bin für das Schreiben, das Game- und Sounddesign verantwortlich. Da wir aber alle zusammen studiert haben und uns in den Bereichen auskennen, verstehen wir die Aufgaben der anderen, was die Kommunikation untereinander sehr erleichtert.
Ich habe gelesen, dass 5am Games sich auf sinnvolle Interaktionen konzentriert. Könnt ihr ein Beispiel dafür nennen?
Aleksandra: Die Kraft der Worte, die im Mittelpunkt unseres Spiels «Letters» steht, nutzt Sprache auf eine andere Weise als es in Videospielen üblich ist. Normalerweise geht es um Dialoge oder das Markieren von Dingen im Spiel, aber wir haben das als Ausgangspunkt genommen. Das sorgt für einen Wow-Effekt, wenn die Leute zum ersten Mal die Mechanik des Spiels kennenlernen.
Martina: Die Figuren in «Letters» spiegeln oft Menschen aus dem Leben der Hauptfigur Sarah wider. Sie hat Schwierigkeiten, sich zu äussern und ihre Worte zu finden, also geben wir den Spieler:innen die Aufgabe, die richtigen Worte zu finden und sie gegenüber den NPCs (Nicht-Spielbaren Charakteren) zu verwenden, um eine Unterhaltung zu führen. Manchmal sind diese Unterhaltungen schwierig und es ist schwer, die richtigen Worte zu finden, manchmal sind sie spielerisch und leicht. Sinnvolle Interaktionen entstehen, wenn Story und Mechanik Hand in Hand gehen. Zum Beispiel ein überheblicher Freund, der deine Figur daran hindert, voranzukommen, indem er sie zurückzieht, oder manchmal Worte, die bei Menschen, die Sarah nicht zuhören wollen, überhaupt nicht funktionieren.
Welche Rolle spielt Unsicherheit in eurem Alltag?
Aleksandra: Die Game-Branche ist generell eine unsichere Branche, besonders im Indie-Bereich. Selbst grosse Projekte laufen trotz vieler Ressourcen für Recherche oder Marketing Gefahr, einfach Pech zu haben und zu floppen. 95 % der entwickelten Spiele erzielen keinen nennenswerten Gewinn.
Martina: Es kommen mehrere Herausforderungen zusammen: Die Aufmerksamkeitsökonomie schliesst Projekte ohne grosses Marketingbudget aus, virale Posts kann man nicht planen. Jeden Tag kommen neue Spiele auf den verschiedenen Plattformen heraus und man weiss nicht, ob man am Ende ganz oben oder ganz unten in der Rangliste landet. Man kann Pech haben, wenn am Tag der Veröffentlichung ein grosses Spiel herauskommt und niemand die anderen beachtet. Die meisten Exemplare verkauft man in der ersten Woche, danach gibt es vielleicht nur noch einen Verkauf, der die Zahlen in die Höhe treibt. Der Rest ist extrem schwer einzuschätzen. Die Entwicklung eines Spiels dauert mehrere Jahre, was bedeutet, dass die Finanzierung vom Zeitpunkt der Veröffentlichung abhängt. Bei anderen Produkten scheint mir der Vertrieb stabiler zu sein.
Was war der riskanteste Moment, den ihr als Studio erleben musstet?
Aleksandra: Die Kickstarter-Kampagne 2019 war spannend, es ging wirklich um das Überleben des Projekts. Wir haben das Spiel quasi vorab verkauft, bevor wir es entwickelt haben, und wie bei Crowdfunding üblich, haben wir das Geld erst bei 100 % des Finanzierungsziels erhalten. In der letzten Woche der Kampagne war noch nicht klar, ob wir es schaffen würden. Am Ende haben wir 121 % erreicht, aber es war sehr dramatisch.
Wie geht ihr mit Unsicherheit um?
Martina: Wir versuchen, so viele Informationen wie möglich zu sammeln und uns andere ähnliche Spiele anzuschauen, das Design, das Marketing, den Vertrieb, die Preisgestaltung und den Inhalt zu analysieren. Daraus leiten wir ab, was funktioniert und was nicht. Aber viele Plattformen bieten keine Statistiken an. Bei Computerspielen ist das noch möglich, aber bei Nintendo oder Handyspielen hat man keine Ahnung.
Welchen Rat würdet ihr Anfängern in Bezug auf Unsicherheit geben?
Martina: In unserem Fall war es gut, dass wir nicht alles auf das Studio gesetzt haben und nebenbei noch andere Jobs haben. Das nimmt viel Druck weg, wenn man weiss, dass die Grundkosten gedeckt sind, und das gibt Sicherheit.
Aleksandra: Ich bin mit jemandem verheiratet, der nicht in der Game Design-Branche tätig ist, was sehr hilfreich ist.
Das Interview führte Ann Mbuti.