Abkürzungen sind allgegenwärtig, und dennoch ist zu bezweifeln, dass die meisten Leute auch nur die Hälfte davon kennen. Das Dilemma: Ihre Vielfalt ist schlicht überwältigend. Ist etwas lustig, greifen wir zu «LOL», für Schockmomente steht ein «WTF» bereit, und wenn ich gerade nicht texten kann, muss ein «TTYL» genügen. Aber wofür sind diese Abkürzungen überhaupt gut? Ganz einfach: Wir versuchen nicht nur beim Texten, sondern auch bei der schnellen Vermittlung unserer Gefühlslage Zeit zu sparen. Und dann gibt es noch die etwas skurrileren Akronyme wie FOMO, JOMO und MOMO. Sie entstammen der Wissenschaft und umschreiben die nachfolgend erläuterten psychologischen Verhaltensweisen.
FOMO – die schreckliche Abwesenheit
Beginnen wir mit dem wohl häufigsten und bekanntesten von allen: FOMO – the Fear Of Missing Out oder die Angst, etwas zu verpassen. Es beschreibt die stete Besorgnis, dass andere gerade interessante Dinge erleben, an denen man selbst nicht teilhat. Stellt euch die drei Freund:innen Jonas, Simone und Victoria vor, die immer alles zusammen unternehmen. Doch nun gibt es ein Problem: Simone und Victoria wollen Samstagabend an eine Party. Jonas weiss nicht, ob er es schaffen wird, da genau an diesem Tag seine Oma Geburtstag feiert. Er gerät in die Zwickmühle, da er keines der beiden Ereignisse verpassen will. Und genau dies ist, was wir mit FOMO umschreiben. Jonas fürchtet, den Geburtstag seiner Oma zu verpassen, hat aber auch Angst, dass ihm etwas entgehen könnte, wenn er die Party verpasst. Das Problem an der FOMO im heutigen Leben ist, dass er sich durch die sozialen Medien noch deutlich stärker ausgeschlossen fühlen wird. Vielleicht sieht er den einen oder anderen Insta-Post und denkt: «Warum muss ich zu Hause bleiben, wenn die andern so viel Spass haben?» Dabei war die Party wahrscheinlich nicht halb so cool wie dargestellt.
JOMO – Selbstfürsorge an erster Stelle
Lassen wir uns nun auf das Gegenstück von FOMO ein: JOMO, the Joy Of Missing Out oder die Freude, etwas zu verpassen. JOMO beschreibt das beglückende Gefühl, das sich einstellt, wenn man sich von der sozialen Gruppe löst und das tut, was man wirklich tun möchte. JOMO wird oft mit introvertierten Personen assoziiert, da diese offensichtlich mehr Zeit für sich benötigen. In unserem Beispiel wären dies Victoria und Simone, da sie die Party früh verlassen. Sie freuen sich darauf, nach Hause zu kommen, und machen sich keine Gedanken darüber, was auf der Party noch passieren könnte. Wichtig ist, JOMO nicht mit einer Art «Anti-Sozialsein» zu verwechseln, denn antisoziales Verhalten schadet anderen und nimmt keine Rücksicht auf deren Wohlergehen. Bei JOMO dagegen geht es primär um Self-Care.
MOMO – das moderne Ungeheuer
Das dritte Phänomen nennt sich MOMO – the Mystery Of Missing Out. MOMO umschreibt die Sorge, dass ein Treffen ohne einen stattfinden könnte, ohne dass man davon wüsste. Dies mag einigen von uns bekannt vorkommen, da es eine der wahren Epidemien der sozialen Medien ist. MOMO stellt sich nicht ein, wenn wir in sozialen Medien Posts sehen, an denen wir nicht beteiligt sind, sondern wenn wir feststellen, dass unsere Freund:innen nicht mehr posten. Wir haben keine Ahnung, was sie gerade tun, also befürchten wir, ausgeschlossen zu werden. Wir wissen nicht, ob wir absichtlich aus dem Loop gehalten werden, ob es am Algorithmus liegt oder ob unsere Freunde keine Zeit an ihren Handys verbringen und den Abend geniessen wollen. MOMO ist zwar ein neueres psychologisches Phänomen, jedoch deutlich weiter verbreitet, als man denken würde.
Was tun, wenn FOMO oder MOMO zuschlagen?
So einfach es sein kann, in einen Zustand von MOMO oder FOMO zu fallen, so schwierig ist es, sich vom Gegenteil zu überzeugen. Warum also nicht mal auf eigene Prioritäten und Prinzipien zurückgreifen? Was ist mir wichtiger: Zeit mit Freunden im Kino zu verbringen oder das Gemälde fertigzustellen, das ich mit meiner Mutter begonnen habe? Die Entscheidung liegt in jedem Fall bei einem selbst. Zudem ist es wahrscheinlich eine gute Idee, sich ab und zu daran zu erinnern, dass Facebook, Twitter, Instagram und Co. nicht das Lebenselixier schlechthin sind. Das Leben geht weiter, ob man auf sozialen Medien präsent ist oder nicht. Wie man mit dieser Abhängigkeit umgeht, liegt im eigenen Ermessen.
Wie gehen wir mit diesen Phänomenen in einer Kunsthochschule um?
FOMO könnte bei Kunstschaffenden die Angst auslösen, wichtige künstlerische Ereignisse oder Trends zum Schaden ihres eigenen Schaffensprozesses zu verpassen. JOMO dagegen könnte man nutzen, um bewusst offline zu gehen, sich so von sozialem Druck zu befreien und eine tiefere kreative Freiheit zu entdecken. Studierende, die sich am Prinzip MOMO orientieren, könnten sich bewusst von bestimmten Strömungen oder Trends distanzieren, um das Unbekannte zu erforschen und neue künstlerische Wege abseits des Mainstreams zu finden. Derartige Konzepte könnten als Diskussionsansätze dienen, um die Auswirkungen sozialer Medien auf die künstlerische Entwicklung zu beleuchten und Strategien für einen bewussten und inspirierenden Umgang mit diesen zu erkunden. So schnell wird aus drei psychologischen Phänomenen ein Potenzial!