Auszüge aus dem Podiumsgespräch
Stefan Kreysler: Ihr befasst euch beide seit Jahren mit den Zusammenhängen von Geschlechterrollen und sexualisierter Gewalt in der Gesellschaft und in der Kunst. Wie schaffen wir an Hochschulen sichere Orte?
Mithu Sanyal: Ich glaube nicht an Safe Spaces. Wir werden niemals einen Raum absolut sicher machen. Prävention heisst nicht nur, Dinge zu unterlassen, sondern auch über Sexualität als positive Lebenswelt zu reden. Und wir können nicht nur den sexuellen Bereich anschauen, wir müssen uns insgesamt Grenzüberschreitungen anschauen und ein anderes Klima erschaffen. Alles was wir machen, um die Welt gerechter zu machen, ist direkte Prävention von sexualisierter Gewalt.
Elisabeth Bronfen: Es ist wichtig, dass die Veränderung stattgefunden hat und weiter stattfindet. Wir wollen keine geschlossenen Türen mehr. Aber es ist auch etwas verloren gegangen. Lernen hat viel mit begehren zu tun. Wenn man Begehren aus der Gleichung nimmt, dann verliert man wahnsinnig viel was mit Unterrichten und Lernen zu tun hat. Das ist für mich eine Frage der Gradwanderung.
Sanyal: Häufig kommen Menschen zu mir: Können wir eine Liste haben, was wir alles nicht machen dürfen? Diese Liste gibt es nicht, jede Situation ist anders. Im Moment verhandeln wir gesellschaftliche Sensibilitäten. Dinge, die vor zehn Jahren selbstverständlich waren, finden wir heute schräg und das ist super.
Die ZHdK als Kunsthochschule ist ein Experimentierfeld. Wo seht ihr das Potenzial von Kunst in dieser Thematik?
Sanyal: Ich war verblüfft, auf welcher emotionalen Ebene mein Roman die Menschen abgeholt hat, ganz anders als meine Sachbücher dies geschafft haben. Das Tolle an Romanen ist, dass wir die Ebene von Zeit darin haben. Mit der Zeit ändern sich Ansichten. Viele Dinge sind differenzierter, als ich dies in einem Sachbuch ausdrücken kann.
Bronfen: Der Reiz an den ästhetischen Produkten wie Romanen, Filmen, Theater, usw. ist die Vielstimmigkeit, die Vielseitigkeit. Sie können Grenzverwischungen inszenieren und Begriffe auf unterschiedliche Weise durchspielen. Die emotionale Reaktion darauf ist komplexer, sie kann sowohl intellektuell wie affektiv sein. Und man kann sich mit mehreren Positionen identifizieren.
Welches Werk findet ihr in Bezug auf sexuelle Belästigung besonders empfehlenswert?
Sanyal: Sehr beeindruckt hat mich die Performance Black Powernaps von Navild Acosta und Sosa. Es geht um Erschöpfung. Das Projekt hat einen Raum geschaffen, um uns auszuruhen und darüber zu reden, was wir brauchen, um uns zu regenerieren. Erschöpfung ist nicht gleich verteilt in der Gesellschaft durch Kategorien wie Race, Gender oder Sexualität.
Bronfen: Ich empfehle den Film «She Said». Ich finde das eine interessante, bewegende und zum Nachdenken anregende Auseinandersetzung. Es ist mehr als die Weinstein-Geschichte, man kann das auf vieles übertragen.
Respect Now
Die Fachstelle Gleichstellung & Diversity informiert und berät ZHdK-Angehörige bei Fragen zu Diskriminierung. Alle Angebote zum Schutz der Integrität werden mit dem Slogan «Respect now!» gekennzeichnet. Jedes Departement, die Services und das Rektorat hat eine eigene Vertrauensperson. Sie kann bei Vorfällen von diskriminierendem Verhalten für Rat und Beistand aufgesucht werden. Zusätzlich gibt es auch eine externe Vertrauensstelle.
Sexual Harrassment Awareness Day 2023