Der Workshop von Stefanie Knobel und Angela Wittwer stellt anhand von ausgewählten künstlerischen Beispielen Methoden und Strategien bereit, die innerhalb einer aktuellen gesellschaftsübergreifenden Debatte neue Zugänge zur Involvierung der Schweiz in koloniale Zusammenhänge und zum Kulturerbe der Kolonialzeit schaffen. Wie lassen sich komplexe sozial-geschichtliche Zusammenhänge körperlich-theoretisch aufgreifen und innerhalb einer gesellschaftsübergreifenden Debatte positionieren? Wie lassen sich künstlerisch Formen von dekolonialer Erinnerung entwerfen, die (auch) körperlich sind, die Widerstände und Irritationen produktiv machen?
Der Workshop legt zum einen ein Gewicht auf künstlerische Methoden und Strategien in der Auseinandersetzung mit kolonialen Verflechtungen von Schweizer Textilhandelsfirmen bei der Produktion und Verarbeitung von Baumwolle seit dem 18. Jahrhundert. Entlang von mehreren künstlerischen Projekten diskutiert es die performative Einbindung von Körper und Sprache als Elemente einer ausgedehnten Textilgeschichte und bezieht die Studierenden aktiv körperlich mit ein. Die künstlerischen Projekte zur Textilindustrie werden zudem in einen Dialog zur medialen Debatte rund um ein 1949 datiertes Wandbild mit kolonial-rassistischen Darstellungen gebracht, das mithilfe des Projekts «Das Wandbild muss weg!» aus seinem baulichen Kontext aus einem Primarschulhaus entfernt und dem Bernischen Historischen Museum geschenkt wurde. An diesem Projekt lassen sich zeitgenössische künstlerische und transdisziplinäre Methoden diskutieren, welche gesellschaftliche Prozesse und Debatten initiieren, begleiten und für eine weiterführende kritische Auseinandersetzung und dekoloniale Erinnerungsarbeit aufbereiten.
Der Workshop schliesst den Besuch der Ausstellung «Widerstände. Vom Umgang mit Rassismus in Bern» im Bernischen Historischen Museum, 25. April 2024 bis 1. Juni 2025, kuratiert vom Verein «Das Wandbild muss weg» mit ein.
Anmeldung bis 12.02.2025 an Laurin Huber
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Stefanie Knobel ist Künstlerin und arbeitet mit Körper, Sprache und räumlichen Situationen. Sie studierte Tanzwissenschaft und Deutsche Literaturwissenschaften an der Universität Bern und Angewandte Theaterwissenschaften an der Justus Liebig Universität Giessen. Für ihre künstlerischen Arbeiten, die u.a. im Aargauer Kunsthaus, bei FRAC Lorraine Metz, im Helmhaus, im Künstler:innenhaus Bremen und an der Gessnerallee Zürich zu sehen waren, erhielt sie mehrere Preise. Seit 2016 beschäftigt sie sich im Rahmen einer ausgedehnten Textilgeschichte mit Baumwolle und den kolonialen Beziehungen zwischen der Schweiz und Indien, die sie in einen Zusammenhang zur aktuellen ökologischen Krise stellt. Daraus sind zahlreiche Performances und Installationen hervorgegangen, die sie in internationalen Zusammenhängen präsentiert: Die Installation A heavy, heavy duty, 2016 (mit Angela Wittwer), die Live-Installation hereish and nowish und die Installation warp and weft (beide Helmhaus Zürich, 2017), die Performance Serie A manifestation for the quasi public #1–5 (6. International Moscow Biennale for Young Art, Living Room at Art Basel, OnCurating Project Space, Aargauer Kunsthaus, Center for Contemporary Art Ancient Bath Plovdiv, 2018/2019), die Installation Interfacing the non- (OnCurating Project Space Zurich, Digital Ecologies Plovdiv and Kunstkasten Winterthur, 2018/2019), die Installation Tip Tui – Performance Undercover (Raumstation Zürich und Cité Internationale des Arts Paris, 2019) sowie The Soaking Space [der Einweichraum], den sie 2022 im Neuthal Museum eröffnete. Unter dem Namen Soaking Space Scores verfolgt sie Bewegungssequenzen, die ihren Körper mit den diversen Tätigkeiten der Baumwollverarbeitungen verbinden. Seit 2013 ist sie an verschiedenen Dozenten- und Jurytätigkeiten an der Zürcher Hochschule der Künste, der F+F Schule für Kunst und Design, dem Swiss Performance Art Award und anderen beteiligt.
Angela Wittwer arbeitet in der Kunst, im Verlagswesens und in der Grafik. In ihrer recherchebasierten und oftmals ortsspezifischen künstlerischen Praxis kollaboriert sie mit Künstler:innen und Forscher:innen, reflektiert über postkoloniale Verstrickungen, Geschichte(n), und fluide Subjektivitäten und kreiert semifiktionale Persona, die historische Fakten mit Fabulation verbinden. 2020 hat sie in Kollaboration mit Rahmat Arham (Makassar, Indonesien) für Dan Dia Bilang Gitu eine audiovisuelle Arbeit entwickelt, welche die koloniale Involvierung zweiter Schweizer Naturwissenschaftler mit dem antikolonialen Widerstand von Colliq Pujié, einer Buginesischen Intellektuellen, konfrontiert. Dan Dia Bilang Gitu wurde 2020 im Theater Basel gezeigt und war 2022 Teil des zeitgenössischen Kunstfestivals Colomboscope in Colombo, Sri Lanka, wie auch laying out the sea to the thought, eine gedruckter Beitrag mit Arham Rahman (Yogyakarta, Indonesien). Seit 2019 arbeitet sie mit dem transdisziplinären Team mit Historikerin und dekolonialen Feministin Izabel Barros, Spoken Word Posting und Moderatorin Fatima Moumouni, Künstlerin und Vermittlerin Esther Poppe, Kuratorin Vera Ryser und Historiker Bernhard C. Schär (Bern/Zürich) an der Entfernung eines Wandbildes mit kolonial-rassistischen Darstellungen auf einem Wandbild in einer Primarschule in der Stadt Bern und seiner Rekontextualisierung im Bernischen Historischen Museum im Jahr 2024 (Das Wandbild muss weg!). Seit 2022 ist sie, zusammen mit den Kurator:innen Sandev Handy (Colombo, Sri Lanka), Aziz Sohail (Karachi, Pakistan), Vera Ryser (Zürich) und der Künstlerin Sally Schonfeldt (Zürich) Teil des Studio for Memory Politics, das eine transozeanische Erinnerungspolitik anstrebt, die sowohl die Lücken und Risse als auch mögliche Dialoge in einer postkolonialen Welt artikuliert. Seit 2011 ist sie als Mitherausgeberin und Herausgeberin an Publikationen u.a. für Maria Eichhorn, Shedhalle Zürich, das Bundesamt für Kultur, das Bernische Historische Museum und die Zürcher Hochschule der Künste beteiligt. Sie lebt zwischen Jakarta und Zürich.