Sprint im Sitzen

    Museumjung verfolgt das Ziel, junge Perspektiven in den Museumsalltag zu bringen. Drei Jahre läuft das Partizipationsprojekt des Museum für Gestaltung Zürich und der Schule Limmat.

    «Wow – die ganze Party hier dreht sich ums Sitzen – krass!» An einem Septemberwochenende geht das Museum ins Quartier. An mehreren Pop-up-Stationen auf der Josefwiese im Kreis 5 philosophieren grosse und kleine Leute über den Akt des Sitzens, den Stuhl als Objekt und seine Bedeutung im Alltag. Sie gestalten Sitzvisionen im Miniformat, bauen 1:1-Hocker und formen kollaborativ und mit Ganzkörpereinsatz in einer Tonne Ton eine grosse Sitzfläche. Spielerisch, nachdenklich oder handwerklich aktiv: Alle dürfen mitmachen bei «Josef sitzt», rund 900 Menschen haben teilgenommen.

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    Das Museum im Quartier: die Aktion «Josef sitzt» auf der Zürcher Josefwiese. Fotos: Alan Maag

    «Museumjung verfolgt das Ziel, junge Perspektiven in den Museumsalltag zu bringen.»

    Nicola von Albrecht, Kuratorin Vermittlung, Museum für Gestaltung Zürich

    Die Sitzparty auf der Josefwiese war Teil des dreijährigen Partizipationsprojekts Museumjung des Museum für Gestaltung Zürich und der Schule Limmat. Museumjung verfolgt das Ziel, junge Perspektiven in den Museumsalltag zu bringen. Im zweiten Jahr des Projekts standen Werk und Ideen des Schweizer Designpioniers Willy Guhl im Fokus. Im «Projektunterricht», im «Design Kids Club», in einer Museumswoche sowie im Rahmen der Aktion «Josef sitzt» wurde unter dem Label «GuhlSchool» mit unterschiedlichen Gestaltungstechniken entlang Kernthemen des Gestalters gearbeitet. Sie reichten von Materialexperimenten über Möbelbau bis zur fotografischen Feldforschung im öffentlichen Raum. Die Aktivitäten der «GuhlSchool» waren das Labor für die Entwicklung der interaktiven Station «Denken» in der Ausstellung «Willy Guhl – Denken mit den Händen» sowie für die Konzeption des Vermittlungsprogramms.

    In der Auseinandersetzung mit Willy Guhls Lehre schärfte das Museum das eigene Profil in Bezug auf Designvermittlung. Guhl hatte einen besonderen Gestaltungsansatz: Er vermittelte seine Designphilosophie mithilfe alltäglicher Handlungsabläufe wie Kuchenbacken, Radieschensäen oder Holzhacken. Vom nonverbalen Körper- und Erfahrungswissen ausgehend, analysierte er – so Renate Menzi, Kuratorin der Designsammlung des Museums und der Ausstellung – menschliche Verhaltensweisen und Interaktionen. Als Designer vertraute er auf die sinnliche Wahrnehmung, handwerkliches Können und die physische Präsenz der Gegenstände – Aspekte, die auch in der Designvermittlung des Museums zentral sind.

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    Do it yourself: Im Rahmen der Aktion «Josef sitzt» wurde unter dem Label «GuhlSchool» mit unterschiedlichen Gestaltungstechniken entlang der Kernthemen des Gestalters Willy Guhl gearbeitet.

    «Das Museum für Gestaltung Zürich betrachtet die Kinder und Jugendlichen als Fachleute für junge Perspektiven auf die eigene Arbeit.»

    Nicola von Albrecht, Kuratorin Vermittlung, Museum für Gestaltung Zürich

    Der absolute Favorit im «Design Kids Club» war das Gestalten mit Hartweizenteig. Also wurden Pastadesign-Workshops auf die Veranstaltungsagenda gesetzt. Die Workshops waren – nicht nur im Angebot für Kinder & Co. – sofort ausgebucht. Kinder und Jugendliche sollten in der «GuhlSchool» erfahren, dass ihre kulturellen Praktiken, ihre Interessen und Wünsche für das Museum relevant sind und sie Museumsprojekte aktiv mitgestalten können. Im letzten Ausstellungsmonat werden Resultate der «GuhlSchool» in mehreren Räumen des Museums präsentiert. Das Museum betrachtet die Kinder und Jugendlichen als Fachleute für junge Perspektiven auf die eigene Arbeit. Doch nicht nur das.

    Designworkshops sind geeignet, die Kreativität, Selbst- und Sozialkompetenz junger Menschen zu kultivieren. Elemente des Design Thinking ermutigen sie, sich einzufühlen, spielerisch, analytisch und kritisch mit Kopf, Herz und Händen zu denken. Hier können sie Beobachtung und Empathie üben, aktuelle Zustände analysieren und sie in wünschbare Zustände transformieren. Dabei dürfen und sollen sie auch mal scheitern und es erneut versuchen. Sinneserfahrungen, insbesondere taktile, spielen eine grosse Rolle. Die Kinder und Jugendlichen lernen, sich mitzuteilen und sich um Verständigung zu bemühen, konkrete Ziele zu formulieren und kreative Lösungsstrategien zu entwickeln – beste Voraussetzungen, um auch persönliche Krisen zu bewältigen und Resilienz zu trainieren.

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    Partizipation und Nachhaltigkeit: In Designworkshops werden die Kreativität, Selbst- und Sozialkompetenz junger Menschen kultiviert.

    «Zu den Kernaufgaben der Museen gehören neu auch Inklusion, Teilhabe und Nachhaltigkeit.»

    Nicola von Albrecht, Kuratorin Vermittlung, Museum für Gestaltung Zürich

    Nicht zuletzt ist ein partizipatives Projekt wie Museumjung für die Institution selbst ein neuer Erfahrungsraum und eine Art Trainingseinheit. Die Institution erlebt sich im Projekt als lernend im Machen mit Blick auf die Herausforderungen für Museen im 21. Jahrhundert, wie sie vom Internationalen Museumsrat ICOM formuliert wurden. Zu den Kernaufgaben der Museen gehören neu auch Inklusion, Teilhabe und Nachhaltigkeit. Neugierig und optimistisch, agil und resilient: Mit diesen Eigenschaften können Museen den gegenwärtigen und zukünftigen gesellschaftlichen Ansprüchen nachkommen. Projekte wie Museumjung sind hier Sprints auf einer längeren Wegstrecke, und manchmal finden diese sogar im Sitzen statt.

    Museumjung wird von der Stiftung für Kunst, Kultur und Geschichte SKKG finanziert.