Haltung als Kompass

    Porträt Thomas D. Meier

    Institutionen brauchen Haltung, genauso wie die Individuen, die sie vertreten. Haltung erfordert eine ständige Auseinandersetzung mit dem, was bewegt. Im Berichtsjahr wurde Haltung in einem Atemzug mit Schlagwörtern wie Verantwortung, Fortschritt, Freiheit, Provokation oder Zensur genannt. Die ZHdK und ihre Angehörigen haben gezeigt, wie sie dazu stehen.

    Normalität

    Die Pandemie hat sämtliche Bereiche unserer Gesellschaft durchdrungen. Die ZHdK hat alles in Bewegung gesetzt, um das Coronavirus fern- und aufzuhalten. Mit Teststationen, Impfmöglichkeiten und der sehr frühen und konsequenten Einführung einer Zertifikatspflicht machte die ZHdK vor, wie Präsenzunterricht auch unter schwierigen Bedingungen gelingen kann. Das war unser zentrales Anliegen.

    Vielfalt und Identität

    Über Gleichstellung, Triggerwarnungen, Cancel Culture, Missbrauch und Diskriminierung wurde an der ZHdK auch im Berichtsjahr intensiv diskutiert. Die damit verbundenen Haltungen fliessen in die Arbeiten der Studierenden ein und prägen den gesellschaftlichen Diskurs mit. Aktivitäten der Fachstelle Gleichstellung & Diversity treiben gleichzeitig die Chancengerechtigkeit an der Hochschule voran und fördern die Vielfalt. Mit der Etablierung interner Vertrauenspersonen, einer externen Vertrauensstelle sowie weiteren Massnahmen, die im Rahmen eines neuen Konzepts eingeführt wurden, ist das Vorgehen bei diskriminierendem Verhalten an der Hochschule klar definiert.

    Lehre

    Mit der Major-Minor-Studienreform will die ZHdK ein stärker individualisiertes Studium ermöglichen und betritt damit als erste europäische Kunsthochschule Neuland. 2021 stellten die Planungsvorbereitungen die Hochschule vor grosse Herausforderungen. Die kostenneutrale Konzeption war dabei eine der schwierigsten Aufgaben. Um sie anzupacken, half eine positive und pragmatische Haltung. Dass personelle Veränderungen nicht ausgeschlossen werden können, führte naturgemäss zu Verunsicherung bei den Dozierenden. Die ZHdK hat sich hier zu grösstmöglicher Transparenz und Fairness verpflichtet. Ein Projekt, das hochschulweit Veränderungsprozesse in Gang setzt, bindet Kräfte. Dass sich die Arbeit lohnt, zeigte eine Befragung unter ZHdK-Studierenden, die bestätigen, dass das geplante Studienmodell die Bedürfnisse der Studierenden erfüllt. Das sieht auch der Fachhochschulrat so und hat im Berichtsjahr die neue Rahmenstudienordnung für das Major-Minor-Modell genehmigt. Damit wurde ein wichtiger Meilenstein erreicht. Positive Rückmeldungen kamen auch von den Expertinnen für die institutionelle Akkreditierung. Sie attestierten der ZHdK eine weit über den Erwartungen liegende Innovationskraft.

    Kritik

    Um ihre inhaltlichen Ressourcen in Lehre und Forschung zu erweitern und kulturübergreifende Erfahrungen zu ermöglichen, baut die ZHdK ihre Kooperationen aus und gestaltet sie nachhaltig. Dass Positionen zu Kooperationsprojekten wie der Shenzhen International School of Design (SISD), an deren Aufbau sich die ZHdK gemeinsam mit der Staatlichen Akademie der Bildenden Künste Stuttgart und dem Institute for Advanced Architecture of Catalonia beteiligt, offen und kontrovers diskutiert werden, gehört zur an der ZHdK gelebten Kultur. Die internen Debatten haben das Projektsetting nachhaltig geprägt. Setzungen zur Wahrung der akademischen Freiheit, zum Schutz der persönlichen Integrität und der Sicherheit der Angehörigen der SISD sowie zur Sicherstellung von Gleichberechtigung und Diversität wurden in einem Wertekanon explizit adressiert. Ein «Ethics Committee» der drei europäischen Hochschulen wird dessen Einhaltung überwachen. Gemeinsam mit der Universität Zürich (UZH), der Zürcher Hochschule für Angewandte Wissenschaften (ZHAW) und der ETH Zürich arbeitet die ZHdK zudem an einem Projekt mit Fokus auf die Kooperation mit Hochschulen aus Ländern mit autoritären Regimen. Der Kompetenzaufbau steht dabei im Zentrum. Gleichzeitig sieht sich die ZHdK der Weiterführung des kritischen Austauschs intern und extern verpflichtet.

    Zukunft

    Lehre und Forschung von morgen gestaltet die ZHdK nicht nur mit dem neuen Studienmodell, sondern auch mit weiteren Initiativen. 

    An der digitalen Innovation arbeitet sie im Rahmen der Zürcher Digitalisierungsinitiative, an der sie sich gemeinsam mit der UZH, der Pädagogischen Hochschule (PHZH) und der ZHAW beteiligt. Im Forschungscluster engagiert sie sich mit den langfristig angelegten Professuren Immersive Arts und Creative Economies und zudem hat sie sich erfolgreich an den Calls für das Innovationsprogramm beteiligt. Mit der UZH ist eine Brückenprofessur zum Thema Digital Cultures and Arts geplant. Das mehrjährige Programm Digital Skills & Spaces betreibt Kompetenzaufbau für alle Angehörigen der ZHdK.

    Die internationale Kooperationsplattform Shared Campus konnte 2021 auf ein solides Fundament gestellt werden. Sie denkt die internationale Zusammenarbeit von Partnerhochschulen aus Asien und Europa neu. Im Zentrum stehen die Komplementarität und Gleichberechtigung der Partner, die ökologische und soziale Nachhaltigkeit sowie die Nachhaltigkeit der Kooperation selber.

    Im Fokus des Projekts «School of Commons», ursprünglich eine Studierendeninitiative, steht das selbst gesteuerte und selbst organisierte Lernen unter Peers. Die grosse, auch internationale Nachfrage und die Resonanz zeugen vom hohen Innovationspotenzial. «School of Commons» kritisiert das institutionelle Setting zwar nicht explizit, das Projekt zeigt aber, dass auch unabhängig von Institutionen gelernt und geforscht werden kann, divers, in flachen Strukturen und hybriden Formaten, interessengeleitet und auf Augenhöhe. «School of Commons» leistet damit einen signifikanten Beitrag zu den Themen Life-Long Learning sowie Inklusion und arbeitet so an der Zukunft der Bildung.

    Neuanfang

    Das ist das letzte Editorial eines Jahresberichts der ZHdK, das ich signiere. Dr. Karin Mairitsch wird ab Oktober 2022 als neue Rektorin gemeinsam mit der Hochschulleitung dafür verantwortlich zeichnen, den Rahmen für die gleichzeitig freie und zielführende Entfaltung von Lehre und Forschung im Interesse der Studierenden und der Gesellschaft weiterzuentwickeln. Neues wartet auch auf mich. Sicher ist, dass ich der ZHdK als einer, wie ich meine, grossartigen Hochschule auch nach meinem Rücktritt verbunden bleiben werde.

    Prof. Dr. Thomas D. Meier
    Rektor, Zürcher Hochschule der Künste