Im Rahmen dieses Forschungsprojektes werden die für Schlagzeuger(innen) wichtigsten Arm- und Handeigenschaften untersucht.Ziel des Projektes ist der Aufbau einer instrumentenspezifischen Vergleichsgruppe für Schlagzeuger – analog zu den in über 50 Jahren von Ch. Wagner aufgebauten Vergleichsgruppen Klavier, Geige, Violoncello etc. Die Vergleichsgruppen erlauben es, individuelle Handeigenschaften des Einzelnen mit denen anderer Profi-Musiker anonym zu vergleichen und dadurch wertvolle Erkenntnisse zu individuell optimierten Spielhaltungen, Übetechniken, Therapieoptionen etc. zu gewinnen.
Einleitung
Ziel der Studie war, die interindividuellen Unterschiede der für das Schlagzeugspiel wesentlichen Unterarm- und Handgelenksbeweglichkeit zu erfassen.
Methoden
Mittels der laborgestützen Biomechanischen Handmessung nach Wagner (BHM 2005) wurden bei 31 Profi-SchlagzeugerInnen (m=30, w=1) Unterarme und Handgelenke auf aktive Beweglichkeit bei Maximalkraft sowie passive Beweglichkeit bei fein abgestuften Drehmomenten gemessen.
Ergebnisse
Die Werte zeigen innerhalb einer Handeigenschaft grosse Unterschiede zwischen Minimum und Maximum (z.B. passive Pronation rechts 110°) und eine hohe Streuung innerhalb dieser Spanne (z.B. passive Handgelenksextension rechts ein Variationskoeffizient von 172%). Die grössten Unterschiede zeigten sich bei der passiven Beweglichkeit, die kleinsten bei der aktiven Beweglichkeit.
Diskussion
Passive Beweglichkeit bleibt als Mass für die Leichtigkeit von Bewegungen in medizinischen Standarduntersuchungen meistens unberücksichtigt. Dennoch spüren SchlagzeugerInnen, wie Widerstand in einer Spielbewegung mit Muskelkraft überwunden werden muss und wann Kompensationsbewegungen auftreten, um Spielbewegungen zu gewährleisten. Für die Schlagzeug-Pädagogik empfehlen sich u.a. einfache Prüfbewegungen für die passive Beweglichkeit und eine auf deren Ergebnissen basierende individuell angepasste Ökonomisierung von Spielbewegungen, inklusive Anpassung der Schlägelhaltung. Weiterhin sollte zur Vermeidung von Überlastungsbeschwerden bei geringer passiver Beweglichkeit vermehrt mit Mischbewegungen unter Beteiligung mehrerer Gelenke anstelle von isolierten, repetitiven Bewegungen nur eines Gelenkes gearbeitet werden. Bei hoher passiver Beweglichkeit sind isometrische Kräftigungsübungen hinsichtlich unterstützender Gelenksstabilisierung empfehlenswert.
Literatur
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Hildebrandt H (2014) “Angewandte Musikphysiologie - Brücke zwischen Musikermedizin und musikalischer (Hochschul-)Ausbildung”. In: Kruse-Weber S / Borovniak B (Ed.) Gesundes und motiviertes Musizieren Ein Leben lang: Musikergesundheit zwischen Traum und Wirk-lichkeit (Üben & Musizieren) Schott, Mainz (2014): 251-272
Hildebrandt H (2017) “Aktives Musizieren bei Jugendlichen – Spezifische Aspekte des Schülers, des Studierenden, des angehenden Profis, des Solisten“. In: Schriftenreihe Band XXIV der Psychosomatischen Klinik Bad Neustadt (Ed.) Ressource Musik - Der Musiker im Mittelpunkt. Bad Neustadt (2017): 181-196
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Wagner C (2005): Hand und Instrument. Musikphysiologische Grundlagen, Praktische Konsequenzen, unter Mitarbeit von Ulrike Wohlwender. Breitkopf & Härtel, Wiesbaden (2005)
Wagner C (2012): “Musicians’ Hand Problems: Looking at Individuality. A Review of Points of Departure”. In: Medical Problems of Performing Artists 27(2) (6/2012): 57-64