Initiiert durch die Abteilung Kultur der Stadt Zürich und wissenschaftlich begleitet durch das ZCCE der ZHdK wurden in einem rund dreijährigen Prozess Elemente eines zukunftsorientierten Fördersystems entwickelt, erprobt und ausgewertet. Das Ziel: Erkenntnisse zu neuen Prozessen, aktualisierten Förderinstrumenten, -kriterien und -begrifflichkeiten, welche in die Kulturstrategie 2024−2027 einfliessen können.
Das Kultur Labor Zürich 2020-2023 stellte als partizipativ angelegtes, mehrjähriges Innovationslabor im Rahmen einer Kulturstrategieentwicklung ein Novum im Bereich der öffentlichen Kulturförderung in der Schweiz dar. Vor dem Hintergrund der Auswirkungen technologischer, gesellschaftlicher, kultureller und ökologischer Entwicklungen auf den Kunst- und Kulturbereich setzte es sich mit der Relevanz und Aktualität des bestehenden Kultur- und Kunstbegriffs und der Praktiken der Kulturförderung der Stadt Zürich auseinander. Ausgangspunkt war die Frage, ob der bisherige Kultur- und Kunstbegriff und die Selektions- und Bewertungspraktiken noch zeitgemäss sind und ob die Förderung Lücken aufweist, z.B. in Bezug auf die kulturelle Repräsentation von gesellschaftlicher und ästhetischer Vielfalt.
Initiiert durch die Abteilung Kultur der Stadt Zürich wurden in einem rund dreijährigen Prozess und mit einem Fördervolumen von rund 570’000 Franken Elemente eines innovativen und zukunftsorientierten Fördersystems entwickelt, erprobt und evaluiert. Ein Ziel war es, die Ergebnisse in die Kulturstrategie 2024-2027 der Stadt einfliessen zu lassen. Das Projekt war insofern von Bedeutung, als es die Grundlagen und Rahmenbedingungen der Kulturförderung in Zürich kritisch durchleuchten konnte, um besser auf die aktuellen und zukünftigen Herausforderungen und Chancen im Kunst- und Kulturbereich reagieren zu können. Wissenschaftlich begleitet wurde der Prozess von Claudio Bucher, Research Fellow am Zurich Centre for Creative Economies (ZCCE).
Das Kultur Labor Zürich verfolgte einen interdisziplinären und partizipativen Ansatz, bei dem Akteur*innen aus verschiedenen Bereichen zusammenarbeiteten, um zukunftsorientierte Fragestellungen zu bearbeiten. Zum Projektteam gehörten z.B. ein Game Designer, eine Digitalexpertin, ein Filmkomponist oder eine Diversity-Expertin, aber auch die Ressortleiter*innen Bildende Kunst oder Jazz, Rock, Pop. Das Kultur Labor war so ein Setting, das es ermöglichte, zumindest temporär abteilungsübergreifend und mit Nutzer*innen und Zielgruppen auf Augenhöhe an zukunftsgerichteten Fragestellungen zu arbeiten, konkret: Handlungsfelder zu identifizieren und pilotartig Projekte, Ausschreibungen, Verfahren zu entwickeln und Aspekte zu priorisieren. In den Feedback- und Jurierungsprozessen wurde das Netzwerk themenspezifisch erweitert, im Handlungsfeld Teilhabe z.B. durch eine Vertretung von Diversity Arts Culture, der Beratungsstelle für Diversitätsentwicklung im Berliner Kulturbetrieb.
Das Projekt nutzte Design Thinking und agile Arbeitsmethoden als Experimentierfeld, um neue prototypische Lösungen für die Herausforderungen des öffentlichen Sektors zu erproben. Ein Kernteam leitete den Prozess, unterstützt durch das ZCCE der ZHdK in der Rolle als teilnehmende Beobachterin bzw. ‘Critical Friend’. Die Entwicklung des Labors war ein dynamischer Prozess, bei dem laufend Erkenntnisse aus der wissenschaftlichen Begleitung integriert wurden. Der Prozess beinhaltete die Entwicklung und Erprobung neuer Auswahlverfahren und -instrumente, die Öffnung des Fördersystems für neue Kunstformen und z.B. die Implementierung einer digitalen Partizipationsplattform.
Die Herausforderungen und Veränderungen im Prozess betrafen die Organisation, Prozesse, Methoden und die Ebene der Kulturverwaltung, unter anderem die Implementierung agiler Arbeitsweisen (z.B. keine ‘Experimentierklausel’ im Rechtsrahmen; personelle Veränderungen auf Leitungsebene). Die Arbeitsmethode ermöglichte die Analyse und Reflektion bestehender Praktiken und Konzepte der Kulturförderung und bot Raum für Experimente, Reflexion und kritische Diskussion, um innovative und nachhaltige Lösungen zu entwickeln.
Das Kultur Labor Zürich hat Erkenntnisse und Learnings hervorgebracht, die für die zukünftige Gestaltung von Fördersystemen relevant sind. Im prioritären Handlungsfeld Kulturelle Teilhabe stellte das mehrjährige Laborprojekt einen beispielhaften partizipativen Prozess der Strategieentwicklung dar, bei dem die Kulturabteilung gemeinsam mit Kulturschaffenden und Fachpersonen neue Formen der Förderung entwickelte. So wurde im Zusammenhang mit dem Pilotprojekt «Community Based» z.B. die Förderkompetenz auf eine ausgewählte Community übertragen. Damit verbunden ist die Auslegung von Kulturbegriffen und -verständnissen und die Definition und Wertigkeit von Kunst und Kultur als Resultat pluralistischer Aushandlungen in einer zunehmend diversen Stadtgesellschaft.
Die Ergebnisse des Labors haben zu einer Erweiterung und Öffnung des Fördersystems für spartenoffene Vorhaben und digitale Kunstformen geführt, wodurch Kulturschaffende erreicht werden konnten, die im bestehenden System nur eingeschränkten Zugang hatten. Es wurden neue Selektionsverfahren und -tools entwickelt und erprobt, und die Implementierung z.B. digitaler Partizipationsplattformen wurde empfohlen. Die Pilotprojekte ermöglichten die Schaffung von themenspezifischen, ämterübergreifenden Verknüpfungen und Netzwerken. Das Labor hat die Wichtigkeit der Künste in der Auseinandersetzung mit globalen Herausforderungen wie dem Klimawandel hervorgehoben und zusätzlichen Schub verpasst.
Das Kultur Labor Zürich 2020-2023 war so ein beispielhaftes Projekt, das neue Wege in der Kulturförderung aufzeigte und Impulse in der Kulturförderpraxis der Stadt Zürich setzte. Es diente als Modell für eine agile, zukunftsorientierte Kulturverwaltung und zeigte, wie durch interdisziplinäre, partizipative Zusammenarbeit innovative Lösungen im Bereich der Kulturförderung entwickelt werden können. Die Ergebnisse und Erfahrungen aus diesem Projekt können als Grundlage und Inspiration für weitere Strategieprozesse und Innovationen in der Kulturförderung dienen, sowohl in Zürich als auch in anderen Städten und Regionen, die ähnliche Herausforderungen und Möglichkeiten im Kunst- und Kultursektor erkunden und nutzen möchten.
Der Schlussbericht verortet das Projekt im Kontext von Innovationslaboren im öffentlichen Sektor und der Kulturförderung. Die Ergebnisse wurden entlang der Unterthemen Förderformate, Auswahlverfahren, Förderkriterien, Handlungsfelder, Diskurse und Kommunikation/Outreach dargestellt. Darüber hinaus wurde die Projektdurchführung ausgewertet und mögliche Erfolgsfaktoren für die Durchführung von Innovationslaboren im öffentlichen Sektor formuliert.