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    Museum für Gestaltung Zürich

    Museum für Gestaltung Zürich Toni-Areal, Sammlungsarchive der Plakatsammlung, © Valentin Jeck, EM2N
    Museum für Gestaltung Zürich Toni-Areal, Sammlungsarchive der Plakatsammlung, © Valentin Jeck, EM2N

    «Wer möchte, dass die eigene Publikation im Bookshop im MoMA verkauft wird, sollte mit dem Museum für Gestaltung zusammenarbeiten.» Christian Brändle (CB), Direktor des Museum für Gestaltung, und Roman Aebersold (RA), Vizedirektor, sprechen über den musealen Forschungsalltag und die unerschöpflichen Möglichkeiten, die die Bestände des Museums Forschenden bieten.

    Forschung im Museumsalltag

    CB: Bei unserer Forschung im Museum – wie auch allgemein in der Forschung – geht es darum, mit einer Linse auf ein Thema zu lenken, es zu recherchieren, aufzuarbeiten, zu schärfen und verständlich zu machen. Das ist etwas, das in unserer kuratorischen Arbeit definitiv sehr spannend ist und zum Alltag gehört.

    RA: Forschung im Museumsalltag ist grundsätzlich vom internationalen Museumsrat (ICOM) definiert und festgelegt. Sie ist Teil der musealen Tätigkeit und unterstützt das Bewahren, Ausstellen und die Vermittlung. Forschung ist etwas, das in all diesen Bereichen selbstverständlich sein muss. Täglich werden neue Objekte in unsere Sammlung aufgenommen. Wir beschreiben und bestimmen ihre Provenienz, aus welchem Material es ist, wo es gedruckt oder produziert wurde, von wem und aus welchem Kontext es stammt. Das ist zum Teil Routinearbeit, aber eben auch eine forschende Tätigkeit.

    CB: Aber wir erhalten nicht nur Objekte und Material, das wir sortieren, fotografieren, inventarisieren, kontextualisieren, beschreiben und online stellen. Denn wir unterstützen auch PhD- oder SNF-Projekte der Forschenden dabei, das Material übergreifender zu befragen und einzubetten. Wir investieren sehr viel Zeit in das Aufarbeiten von Grundlagen, damit sich Forschende inhaltlich überhaupt mit gewissen Themen und Objekten beschäftigen können – also dem Zusammenführen von Wissen. Es geht dabei um Lektüre, Re-Lektüre und Vermittlung in unterschiedlichen Dimensionen für unterschiedliche Interessensgruppen.

    Das Researcher in Collection-Programm

    RA: Das Researcher in Collection-Programm haben wir initiiert, um die Forschung im Museum zu stärken. Das Angebot richtet sich an Institutionen oder Einzelpersonen, die sich für ein Thema interessieren und darauf aufbauen möchten. Das heisst konkret, sie haben Zugang zu den Objekten, können Objekte sichten und wir beraten sie, wie man weiter daran arbeiten könnte. Das Museum erhält kein Geld für diese Hochschularbeit, aber wir bieten die Vorarbeit, die Infrastruktur und Arbeitsplätze für interessierte Forschende.

    Das Museum im Hochschulkontext der ZHdK

    RA: Das SNF-Forschungsprojekt «Willy Guhl: Denken mit den Händen», an dem wir aktuell mit dem Forschungsschwerpunkt Ästhetik der ZHdK arbeiten, ist ein schönes Beispiel. Es gibt eine wunderbare Grundlage: Material von Willy Guhl und seiner Familie, Objekte, Modelle, Notizen, Skizzen, Briefwechsel, Fotos und vieles mehr, das bereits aufgearbeitet ist. Mit Dieter Mersch[1] wurde daraus ein gemeinsames Projekt gemacht. Das ist genau die Brücke zwischen Archivmaterial aufarbeiten und Grundlagen für eine Ausstellung oder die breite Vermittlung schaffen.

    CB: Wir haben an der ZHdK eine spezielle Situation. Das Museum ist zwar Teil der Hochschule als Institution, gehört aber nicht zur Fachhochschule. Somit sind wir nicht antragsberechtigt, um selbst Forschungsprojekte zu lancieren. Es gibt dadurch auch keine strategische Verzahnung zwischen der bestehenden Forschungs- und Institutslandschaft und dem Museum. Ich glaube, wir müssen im Museum noch mehr unsere Offenheit aufzeigen und Zugänglichkeit schaffen. Aber auch gegenüber der Lehre und Forschung deutlich machen, dass Designgeschichte eine grössere Rolle für beide Institutionen spielen kann und muss. Mittelfristig wäre es ein spannender Schritt, wenn beispielsweise eine Professur für Designgeschichte installiert werden könnte, die den Anspruch und Auftrag hat, das Wissen aus dem Museumsarchiv in die Lehre zu tragen.

    RA: An sich kommen eher wenig konkrete Anfragen aus der Forschung bzw. von den Forschenden, obwohl wir dafür offen wären, wenn sie Themen an uns herangetragen. Grundlegend ist, dass die Forschenden sehen, welches Potential wir als Museum für ihre Arbeit bereithalten. Es ist eine noch ungenutzte Chance, weil die ZHdK europaweit eine der wenigen Hochschulen ist, an der es eine solche Sammlung überhaupt direkt «im Haus» gibt.

    Ungenutztes Potential

    CB: Im vergangenen Jahr haben wir mehrfach Initiativen ergriffen, um latente Forschungsthemen oder einen Forschungskorpus offenzulegen. Damit möchten wir zeigen, wieviel bereits inventarisiert ist und wo es sich lohnt, tiefer hineinzuschauen. Ebenso haben wir zu bereits aufgearbeiteten Sammlungsbeständen mögliche Forschungsthemen formuliert. Diese reichen von Entwürfen der 1930er bis 1970er Jahre für den Schweiz Tourismus (damalige: Schweizerische Verkehrszentrale SVZ) über den Nachlass des Designers und Künstlers Andreas Christen bis zur Sammlung des Gestalters Hans-Rudolf Lutz, der rund 15’000 Piktogramme auf Transportverpackungen aus der ganzen Welt sammelte.

    RA: Unser Archiv umfasst rund 580’000 Objekte, die verstärkt für Forschungsprojekte genutzt werden könnten. Die Rolle von der Forschung ausserhalb des Museums ist sicher, das Ganze zu verdichten, aber auch neue inhaltliche Themen zu definieren. Natürlich gibt es Themen in der Forschung, die weniger mit Inhalten zu tun haben, sondern mehr mit Strukturen, Management oder Material. Anhand der Archivobjekte versteht man die visuelle und materielle Kultur lokal und international. Auch das kann für Forschende sehr spannend sein.

    CB: Ich würde mir im Allgemeinen sehr wünschen, dass eine Forschungsdimension in unsere Arbeit hineinkommt, die einerseits als Outcome die Ausstellung oder die Publikation hat, andererseits in konkreten Forschungsprojekten mündet. Das Museum bietet sehr gute Voraussetzungen, denn Themen, Material, Möglichkeiten und Infrastruktur sind bereits vorhanden. Gleichzeitig dient das Museum als Multiplikator, z.B. haben wir dazu beigetragen, dass die Erkenntnisse des Forschungsprojekts «Briefedition Sophie Taeuber-Arp» in Ausstellungen im Tate Modern in London, in Basel und aktuell im Museum of Modern Art in New York eingeflossen sind.

    RA: Dazu kommt, dass die Objekte in der Sammlung praktisch immer physisch verfügbar und in Datenbanken aufgearbeitet sind. Im eMuseum, dem digitalen Archiv, sind bereits über 110’000 Objekte online gestellt. Unsere Vermittlungsleistung besteht darin, dass wir Wissen in Form von Ausstellungen und Publikationen verbreiten sowie Vermittlungsaktivitäten wie u.a. Workshops, Führungen durchführen. Wir können verwandte Themen zusammenstellen, die relativ tief erschlossen sind und Archivführungen anbieten. Das sind alles gute Rahmenbedingungen für Forschende.

    CB: Einen grossen Schritt konnten wir letztes Jahr machen: Das Museum für Gestaltung wird ab 2023 vom Bundesamt für Kultur während vorerst vier Jahren unterstützt. Wir sind uns mit der Geschäftsleitung einig, auch Mittel in die Forschung zu investieren. Das ist ein entscheidender Wendepunkt und ich würde behaupten: Now or never. Das ist unsere Chance, Forschung langfristig in die Arbeit vom Museum für Gestaltung zu integrieren.

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    [1] Prof. Dr. em. Dieter Mersch, ehemaliger Leiter des Forschungsschwerpunkts Ästhetik.

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