Wie wird Zukunft in den Praktiken der Art Education ästhetisch erfahrbar? Welche Zukünfte imaginieren und erfahren verschiedene Akteur*innen in unterschiedlichen Situationen? Wie wird dabei mit der Vielheit möglicher Zukünfte umgegangen? Und: Welche Schlüsse lassen sich daraus für die Ausbildung der Kunstvermittelnden ziehen?
Wenn sich ausserschulische Projekte der ästhetischen Bildung und Vermittlung widmen, werden immer auch persönliche und gesellschaftliche Zukünfte mitverhandelt, gestaltet und erfahrbar. Einerseits üben viele Projekte zukunftsorientiertes Verhalten, insbesondere im Umgang mit dem gestalterischen Material, womit das individuelle Verhalten an antizipierte Veränderungen geknüpft wird. Andererseits erlangen die Gestaltenden hier Fähigkeiten und damit persönliche Perspektiven: Die vielfach offenen und transparenten Prozesse der soziokulturellen Kunstvermittlung bieten vielfältige Anschlussmöglichkeiten – für individuelle Entwicklungen ebenso wie für Folgeprojekte. (Vgl. Jimenez 2014) Mit dieser Tendenz zur Verstetigung und Erweiterung generieren die Angebote zudem die zukunftsschaffende Erwartung, dass sie als Infrastrukturen weiter bestehen werden. (Appel/Anand/Gupta 2018)
Gerade auch die fachlichen Diskussionen über die spezifischen Wirkungen der ästhetischen Bildung haben antizipativen Charakter, wenn sie betonen, dass hier Selbstwirksamkeit und Mitgestaltungspotential erfahrbar werden. So ist der moderne Bildungsbegriff seit seiner konzeptuellen Findung im 18. Jahrhundert mit «Gesellschaft verändern» und «Zukunft imaginieren» verknüpft, wie es heute besonders in Debatten um Chancengleichheit, Teilhabe, Diversität und Nachhaltigkeit deutlich wird. (Chakkalakal 2018) Ob und wie dabei mit dem Konzept der nachhaltigen Entwicklung und dem Bezug aktueller Bedürfnisse auf zukünftige Generationen die Vielheit möglicher Lebensweisen mitgedacht wird, ist umstritten. (Brightman/Lewis 2017) Die planerische Auseinandersetzung mit Zukunft steht denn vielfach in der Kritik, Zukunft einzuschränken; zugleich sind antizipatorische Aushandlungen zentral für die Öffnung von Möglichkeiten. Weiter wird diskutiert, wie grundsätzlich kulturelle Teilhabe ansetzen kann, wenn deren Förderung und deren Rahmung institutionell beschlossen werden und wenn es etwas an die Teilhabenden zu vermitteln gibt. Auch über die Idee, Vergangenheit zu besitzen, die Vorstellung von Geschichte als Fortschritt und andere Zeitpolitiken werden spezifische Zukünfte generiert und mit ihnen gegenwärtige Wirklichkeiten hervorgebracht. (Chakkalakal 2018) So stehen Vermittlungspraktiken immer in Verbindung mit spezifischen Machtkonstellationen und Ungleichheiten.
In unserer Forschung vereinen wir Perspektiven einer Anticipatory Anthropology (Stephan 2019, Appadurai 2013) und der sozialpsychologischen Nachhaltigkeitsforschung (Steg/Gifford 2017) und fragen nach den sich gegenseitig bedingenden Aushandlungen von Zukünften in Vermittlungsprojekten auf vier Ebenen: Die Einbeziehung in künstlerischer Auseinandersetzung geht mit einer Subjektivierung einher, welche erstens die Imagination von individuellen Zukünften bedingt. Die Projekte erweisen sich zweitens für die Zukunftskonstitution der oft prekären Arbeitsverhältnisse der ausserschulischen Vermittelnden als zentral. Drittens werden durch Vermittlungsangebote zum Beispiel unter Berufung auf Nachbarschafts- und Quartiersentwicklung sowie auf die Teilhabe nicht-privilegierter Gruppen auch soziale Zukünfte imaginiert und gestaltet. Und viertens werden insbesondere mit dem Bezug auf ökologische Nachhaltigkeit Zukunftsvorstellungen von einer abstrakteren Gesellschaft mitverhandelt.