Das Dissertationsprojekt fragt nach zeitgenรถssischen, feministischen Medienkunstarbeiten vor dem Hintergrund der Themen und Motive der frรผhen feministischen Videokunst der 1970er-Jahre. Unter einer medien- und kunstwissenschaftlichen Perspektive wendet sich das Projekt einer im wissenschaftlichen und kรผnstlerischen Kontext einstig postulierten Nรคhe zwischen Videokunst und Feminismus zu (Adorf 2008, Osswald 2003, Rollig 2000) und untersucht deren Aktualitรคt. Angesichts der Ausrichtung an den Differenzen, Fortschreibungen und Unvertrรคglichkeiten zwischen damals und heute, bedient sich die Arbeit einer diffraktiven Methode (1) fรผr die Analyse exemplarischer Videoarbeiten. Jener diffraktive Ansatz richtet sich darรผber hinaus auch an weitere, fรผr die feministische Debatte massgeblich relevanten, persistierenden Dualismen der Moderne, die es Theoretiker:innen und Kรผnstler:innen zufolge zu durchkreuzen und zu durchque(e)ren gilt: privat-รถffentlich, Kultur-Natur, Subjekt-Objekt, Affekt-Reprรคsentation etc. Damit rรผckt der Neue Materialismus (Braidotti 2003, Haraway 1992, Barad 2010, Bennett 2010) als theoretische und methodologische Rahmung des Projekts in den Blick, mittels dessen nicht zuletzt die Frage nach dem agentiellen Realismus (Barad 2012) in Bezug zu Video, Kรถrper und Subjektivierungsprozessen versucht wird zu schรคrfen. Das Forschungsvorhaben stellt damit einen wichtigen Beitrag zur theoretischen wie praktischen Verortung der zeitgenรถssischen Medienkunst dar, die in ihrer feministischen Ausrichtung den Status quo von Feminismen und eine gegenwรคrtige Medienkultur reflektieren.
(1) Diffraktion beschreibt das physikalische Phรคnomen der Beugung von Wellen an einem Hindernis. Donna Haraway fรผhrte den Begriff als Kontrapunkt zum optischen Phรคnomen der Reflexion in eine kritische Debatte ein, da er, entgegen der Idee des Spiegelns und Gleichseins, auf Differenzen abgestimmt ist (Dies 1992: 299f.). Diffraktion zeichnet sich demnach durch Differenzmuster (Interferenzmuster) aus, die laut Haraway abbilden, wo Effekte von Differenzen erscheinen. Im Anschluss an Haraways Denkfigur schlug Karen Barad โนDiffraktionโบ (vgl. Dies. Meeting The Universe Halfway, 2007) erstmalig als Methode des (kritischen) โนDurcheinander-hindurch-Lesensโบ vor, um neue Einsichten auf nicht-hierarchische und nicht-lineare Weise zu schaffen. Eine diffraktive Methodologie versteht sich als respektvolle, offene und dialogische Lesart und als relationale Natur der Differenz (vgl. Bath/Meiรner/Trinkaus 2013). Demnach geht nicht um ein komparatistisches Lesen zwischen damaliger und zeitgenรถssischer Videokunst auf ein fixiertes Ziel hin, vielmehr sollen ihre Bezรผglichkeiten fassbar gemacht werden.