Abstract
Der vorliegende PhD «Zeiten – Orte – Sichtbarkeiten. Materialeigenschaften und Wertverschiebungen» setzt sich mit der Veränderung unterschiedlicher Materialien auseinander, im Hinblick auf ihre Anwesenheit/Abwesenheit, ihre geschichtliche Dimension und die Veränderung ihres Wertes aufgrund zeitlich und örtlich unterschiedlicher Kontexte. Was geschieht mit einer künstlerischen Arbeit, wenn sie verschwindet? Wie verändert sie sich, wie fügt sie sich ein in die Geschichte ihrer Materialien und die Orte ihres Verschwindens? Wie verändert sich ihre Gestalt, wenn die anfängliche Materialität des Kunstwerks sich aufgelöst hat oder, in einer Stadt ausgesetzt, den Kräften dieser Stadt überlassen wurde? Was entsteht, wenn etwas vergeht?
Diese Fragestellungen wurden in den zwei künstlerischen Arbeiten/künstlerischen Experimenten «(un)earthed» und «MODERN LEAVES», sowie der dreiteiligen reflexiven Erzählung «Zeiten – Orte – Sichtbarkeiten. Materialeigenschaften und Wertverschiebungen» verhandelt, konkretisiert und materialisiert.
Die reflexive Erzählung besteht aus drei Teilen: «Gedankenlandschaft», «(un)earthed» und «MODERN LEAVES». Die beiden letztgenannten Texte, reflexive Erzählungen, sind zugleich auch Teil der beiden gleichnamigen künstlerischen Arbeiten.
Die erzählerische Reflexion «Gedankenlandschaft» verbindet Überlegungen zur Bewegung des Übergangs der Epoche der Renaissance zu der Epoche der Romantik, den Begriffen des Umschlagens, der Sehnsucht und des Fragments, mit Beobachtungen zu steinernen Monumenten vergangener Kulturen, mit dem Begriff des sprachlichen Zeichens und des Wertes nach Ferdinand de Saussure und mit dem Begriff des Risses im Zeichenverständnis von Graffiti nach Jean Baudrillard. Weiter werden diese Reflexionen in Verbindung gebracht mit Gedanken zu Kontext und zur Ortsloslösung von Kunstwerken in Form von fotografischen Abbildungen, wie sie in Walter Benjamins Text «Das Kunstwerk im Zeitalter seiner technischen Reproduzierbarkeit» und in André Malrauxs «Le musée imaginaire» dargelegt werden. Die Reflexionen zu diesen Begriffen und Konzepten wurden genährt durch die Erfahrungen und Einsichten, die während, mit und durch die Arbeit an «(un)earthed» und «MODERN LEAVES» entstanden sind.
Umgekehrt haben die genannten Begriffe und Konzepte die beiden künstlerischen Arbeiten begleitet, differenziert und erweitert.
«(un)earthed» ist eine Arbeit bestehend aus neun genähten Objekten hergestellt aus kompostierbarem Stoff, die ich an neun unterschiedlichen Orten in der Schweiz und an einem Ort in Deutschland vergraben und im Abstand von etwa drei Wochen wieder aufgesucht, ausgegraben, beobachtet und wieder eingegraben habe.
«MODERN LEAVES» habe ich in Brasília, der Ende der 1950er-Jahre erbauten modernen Hauptstadt Brasiliens, erarbeitet. Die Arbeit besteht aus einer Gruppe von neun Betonskulpturen, für die mir in den Strassen Brasílias gesammelte Palmblätter als Gussformen dienten. Die entstandenen Skulpturen habe ich zunächst in einem Ausstellungsraum in Brasília gezeigt und sie dann an neun unterschiedlichen Orten dieser Stadt ausgesetzt und dort zurückgelassen.
Dem PhD sind zudem zwei Materialproben der beiden Arbeiten beigefügt. Die eine Materialprobe ist ein vernähtes Stück Stoff, welches die Materialien und die Verarbeitungsweise der Objekte der Arbeit «(un)earthed» veranschaulicht. Die andere Materialprobe ist ein Zementabguss eines Palmblattes, hergestellt in derselben Weise wie die neun Skulpturen der Arbeit «MODERN LEAVES». Beide Materialproben vermitteln eine Vorstellung und einen haptischen Eindruck der Objekte und Skulpturen.
Auf einem Datenträger (USB-Stick) befindet sich Bildmaterial (Fotografien, Video) der beiden Arbeiten «(un)earthed» und «MODERN LEAVES», welche ebenfalls Teil der Arbeiten sind, und die für Ausstellungskontexte in unterschiedlicher Weise materialisiert wurden.