Ein transdisziplinärer Beitrag von Hans-Jürg Meier (1964–2015)
Yuda Zheng
Trotz der inhärenten Räumlichkeit des Resonanzkörpers gestalten sich die Arbeiten von Architekten und Komponisten aufgrund ihrer spezifischen Auseinandersetzungen mit Schwerkraft und Obertönen unterschiedlich. Dennoch teilen sie eine gemeinsame Ausdrucksform: die grafischen Mittel von Plan und Notation. Die Möglichkeit, Architektur und Musik visuell zu beurteilen und zu gestalten, eröffnet eine neue Perspektive auf die Wechselwirkungen zwischen den beiden Disziplinen, wobei das grafische Denken als äquivalenter Schöpfungsmechanismus fungiert.
Der Zürcher Komponist Hans-Jürg Meier (1964–2015) beschäftigte sich mit Architektur sowohl unter raumakustischen Aspekten als auch durch zeichnerische Auseinandersetzungen mit Architektonik, Raum und Proportion. So übertrug er beispielsweise Objekte wie Tramontin Gondola und die Kirche Santa Maria Formosa mittels grafischer Ansätze in seinen Zyklus »Wingert in der Frühe«. Aufgrund seines unerwarteten Todes liegen jedoch Meiers transdisziplinären Beiträge und sein 81 Werke umfassendes Œuvre – darunter 21 architekturbezogene Kompositionen und Installationen – bis heute unerforscht in der Universitätsbibliothek Basel verborgen.
Gestützt auf hermeneutische Methode werden die architekturbezogenen Werke Meiers untersucht und die Ergebnisse durch Kontextualisierung, theoretische Ansätze und vergleichende Analyse in den kulturhistorischen Zeitraum von 1950 bis 2015 eingebettet. Durch ein praktisches Experiment mit Architekten und Komponisten möchte das Forschungsprojekt das grafische Denken in Entwurfs- und Kompositionsprozess erkunden. Mit transdisziplinärem Ansatz zielt das Projekt auf eine historiographische, epistemologische und methodologische Bereicherung in beiden Disziplinen ab. Das Resultat wird in einer Monographie, einer Ausstellung und einem begleitenden Konzert der Öffentlichkeit präsentiert.