- Fokus im Herbstsemester: August der Starke (1670-1733)
- Fokus im Frühlingssemester: Friedrich der Grosse (1712-1786)
Übergänge in der Geschichte vollziehen sich manchmal laut, manchmal aber auch mit leisen Tönen und nicht auf den ersten Blick erkennbar, insbesondere für die Zeitgenossen. In Frankreich, dem Geburtsland des Absolutismus, ist das Ende des politischen Systems mit viel Lärm vollzogen worden: lauter als mit einer «französische Revolution» ging es wohl kaum! In Deutschland werden zur selben Zeit viel feinere Töne angeschlagen, die allerdings nicht weniger wirksam waren.
Zwei der wohl wichtigsten Vertreter des «ancien régime» im Deutschland des 18. Jahrhunderts sind sicher der sächsische Kurfürst und polnische König August der Starke, sowie der preussische König Friedrich der Grosse. Moderne Touristenzahlen in Dresden und Sanssouci belegen eindrücklich ihren bis heute andauernden Ruhm bei der Nachwelt. Auch wenn die beiden Monarchen nur eine Generation trennt, sind sie doch sehr unterschiedlich in ihrem politischen Selbstverständnis: August kann noch als ein reiner Vertreter des Absolutismus gelten, bei Friedrich mischen sich bereits neue Töne ins Denken und Handeln des Monarchen. Dass neuerlich Personen wie Voltaire am Hof leben und den König «beraten», ist ein Zeichen eines neuen Weges, der eben viel weniger laut als in Frankreich verlaufen sollte. Dennoch lassen beide keinen Zweifel an ihrem unbedingten Eroberungswillen und königlichen Selbstbewusstsein in jeglicher Form. Denn obwohl sie unterschiedliche Vorstellungen von Staat, Politik und der deutschen Landkarte haben, halten sie sich im Wesentlichen an ihr grosses gemeinsames Vorbild: Ludwig XIV.
Aber weniger die politischen Strategien sollen uns im kommenden Studienjahr beschäftigen, als das, was der französische Sonnenkönig in einer derart beeindruckenden Form praktiziert hat und was die beiden Nachfolger offenbar sehr wohl verstanden haben: dass sich Grösse, Pracht und Erfolg eines Herrschers in der Kunst eines Königreiches widerspiegelt und somit für alle Augen sichtbar wird. Deswegen ist das moderne Dresden das Dresden Augusts des Starken und Sanssouci das Versailles Friedrichs des Grossen. Auf unterschiedlichsten künstlerischen Ebenen wetteifern sie mit ihrem französischen Vorbild, manchmal mit mehr, meistens mit weniger Erfolg. Immerhin gewinnt August die Schlacht ums Porzellan! In musikalischer Hinsicht war es offenbar schwierig, das französische Vorbild zu übertreffen. Der Sonnenkönig hatte in allen Künsten ein so sicheres Gespür, dass er auch in der Musik einen noch unbeschlagenen Diamanten erkennen konnte. Ohne Louis XIV. wäre kein Lully, kein Couperin in dieser Form in die Musikgeschichte eingegangen. August der Starke schätzt seine Hofkapellmeister Lotti und Hasse und lässt Pöppelmann für sie das Opernhaus errichten. Er interessiert sich aber überhaupt nicht für den «kleinen» Thomaskantor in Leipzig. Eine Generation später wird dem Sohn dieses Thomaskantors von Friedrich II. ein Quantz vor die Nase gesetzt, mit dessen Gehalt er auch nicht annähernd konkurrieren kann. Im Gegensatz zu seinem Vater wird er sein Glück andernorts machen und als «der grosse Bach» bekannt werden.
Eine Blütezeit in den Künsten haben beide Herrscher Deutschland beschert. Wie sich parallel zu den Herrschaftssystemen auch die musikalische Sprache in der ersten Hälfte des 18. Jahrhunderts wandelt und verändert, wird das Thema in den unterschiedlichen Veranstaltungen der Historischen Aufführungspraxis sein.