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    Arbeitsprinzipien

    Die Arbeit des IAE ...

    • ... ist transdisziplinär und zeichnet sich insbesondere durch eine Offenheit gegenüber und eine Durchlässigkeit für künstlerisch informierte Herangehensweisen und Verfahren aus.

      Sie nutzt deren Potenziale auf der Ebene der Wissensproduktion und der Darstellung von Erkenntnissen.

      «Heisst transdisziplinär auch mehrsprachig? In Art.School.Differences treffen Soziologie, Kulturtheorie, Kunstpraxis und Aktionsforschung aus verschiedenen Sprachräumen aufeinander. Damit das Potential dieser Vielfalt entfaltet werden kann, muss dem Team genügend Zeit und Raum zur Reflexion über Machtstrukturen in der Zusammenarbeit und zwischen den Disziplinen zur Verfügung stehen. So wie die Verständigung über Sprachgrenzen hinaus eine gemeinsame Basis oder Übersetzung voraussetzt.»

      Sophie Vögele (Projekt: Art.School.Differences)



      «Eine Entdeckung sind die scores, diese konzeptkünstlerischen Handlungsanweisungen, die wie für die Forschung gemacht scheinen. Sie kommen daher wie schulische Aufgabestellungen, laufen aber auf etwas anderes hinaus. Als wir anfingen, scores zu schreiben, wurde das Nachdenken über die Dimensionen von Kontingenz in der Lehre plastischer.»   

      Anna Schürch (Projekt: Kalkül und Kontingenz)

    • ... ist selbstreflexiv und legt ihre jeweiligen Standpunkte und Interessen offen.


      «Ich sitze im Bewerbungsgespräch für das Projekt ‹die Kunstnäher_innen› und formuliere eines meiner Bedenken an der Anlage des Projektes. Meine Formulierung lautet in etwa so:

      Wenn es am Ende des Projektes für die Jugendlichen ein Teilnahmezertifikat gibt, welches sie bspw. in ihre Bewerbungsmappe stecken können, riskiert man damit nicht, ein weiteres dieser ‹Um-Zu Vermittlungsprojekte› zu werden, das künstlerische Verfahren  instrumentalisiert um ein von Anfang an festgestecktes Ziel konstant zu verfolgen?

      Ich werde darauf hin mit der Frage konfrontiert, ob es für mich vorstellbar sei, in einem Projekt zu arbeiten, dass sich explizit auch an Jugendliche richtet, die nur der Bezahlung und des Zertifikates wegen teilnehmen. Nach dem Hintergedanken dieser Setzung befragt, bekomme ich die Erläuterung, dass die Projektverantwortlichen nicht die – bzw. die eine gültige – Motivation vorgeben möchten, die eine Teilnahme ermöglicht. Mir leuchtet diese Begründung völlig ein.

      5 Monate später sitze ich einer Schulklasse gegenüber und stelle das Projekt ‹die Kunstnäher_innen› in einem Workshop vor. Aus der latenten Sorge heraus, nicht genug Jugendliche für unser Projekt begeistern zu können, versuche ich – zwar halbwegs realistisch, doch hoffnungslos übervorsichtig mit säuselnd anbiedernden Tonfall – zu beschreiben, was wir alles Tolles gemeinsam tun werden und wieviel Freiraum zur Mitbestimmung wir einräumen möchten. Das Thema Bezahlung spreche ich dabei nicht an, kurz vor Schluss erwähne ich immerhin noch schnell, dass wir die Fahrtkosten  und Eintrittsgelder erstatten können. Ich weiss nicht, wie ich über die Bezahlung sprechen soll, ich sehe die Notwendigkeit nicht ganz, die Jugendlichen dafür zu bezahlen, dass wir gemeinsam Veranstaltung besuchen und Workshops machen. Ich habe das Gefühl, eine geschickte Formulierung finden zu müssen, damit nicht das Geld als einziges Lockmittel in Erinnerung bleibt.

      Bei ebendiesem Workshop werde ich mit der Frage konfrontiert, ob wir denn auch gemeinsam bspw. ein Fussballspiel oder ein Konzert von Bushido besuchen können.

      Ich eiere um eindeutige Antworten herum und versuche mich einer definitiven Aussage zu entziehen. Bushido geht irgendwie gar nicht, aber ich habe doch eben gerade das Versprechen abgegeben, dass die Jugendlichen selber mitentscheiden können, auf welche kulturellen Veranstaltungen sie Lust haben.

      Ein paar Tage später sitzen wir zur monatlichen Reflexionssitzung im Team zusammen. Die Frage kommt auf, wie die Jugendlichen auf den Geldaspekt reagieren. Katarina (die ein ähnliches Prinzip des Nicht-Sagens und Nur-am-Rande Erwähnens in ihren Workshops ausprobiert hat) und ich kommen abermals ins Begründungsschlingern, beide fühlen wir uns recht blöd ertappt. Es gibt keine langen Diskussionen mehr über den Umgang der Thematik Bezahlung, am Ende der Sitzung steht die Abmachung, dass wir in den kommenden Workshops offensiv mit dieser Information an die Jugendlichen herantreten.

      In den folgenden Workshops beschreiben wir uns als Forschungsprojekt. Als eines, dass Jugendliche zur Mitarbeit sucht und diese selbstverständlich entlöhnt wird. Wir beschreiben, dass wir den Rahmen und das Interesse vorgeben, dass innerhalb dieses Rahmens Platz und Notwendigkeit für aktives Mitdenken und Mitgestalten ist. Der erwartete Aufschrei der Jugendlichen über das erwähnte Geld bleibt aus, wirklich zu interessieren scheint sie dieser Fakt nicht.

      Ich staune über die Handlungsfähigkeit, die mir diese neue Art des Offenlegens unseres Interesses gibt.»

      Frederike Dengler (Projekt: Die Kunstnäher_innen)


      «Wir von Art.School.Differences verstehen Kunsthochschulen als relativ autonome Felder, die von den Zwängen und Möglichkeiten anderer gesellschaftlicher Sphären wie Arbeitsmärkte, Kunstwelten und des politischen Systems durchzogen sind. Kunsthochschulen sind Teil des Machtfeldes und können keine politische Neutralität in Anspruch nehmen, sondern sind in kulturelle, ökonomische und soziale Abhängigkeitsverhältnisse verstrickt. Im Falle der Aufnahmeverfahren meint dies, dass wir im Sinne einer reflexiven Unentschiedenheit weder für das gegenwärtige elitäre System mit strengen Auswahlverfahren noch für die Aufhebung jeglicher Eintrittsprüfungen optieren, sondern vielmehr die jeweiligen Handlungsspielräume, Ein- und Ausschlüsse analysieren, die sich durch die kontingenten Ausprägungen dieses Feldes offenbaren.»

      Philippe Saner (Projekt: Art.School.Differences)

    • ... vertritt einen konstruktivistischen Kulturbegriff.

      «Kultur» wird als komplexer, sich ständig verändernder Prozess der Produktion von Bedeutungen und als Ebene der Aushandlung von Bedeutungen im Rahmen von Machtverhältnissen verstanden.

      «Das heisst bei Veranstaltungen zur Kulturvermittlung unermüdlich Einspruch zu erheben, wenn wieder einmal klar zu sein scheint, wo ‹die Kultur› ist, die vermittelt werden soll, und wer die Zielgruppen sind, deren ‹Kulturen›(im Plural) als Problem konstruiert werden.»

      Nora Landkammer


      «Ob Fussball auch Kunst ist? Ja, antworten mehrere Jugendliche aus dem Projekt ‹die Kunstnäher_innen›. Ich bin nicht sicher. ‹Doch klar, so wie die dribbeln können!› Ich frage mich, wo mein eigener Kunst- und Kulturbegriff aufhört. Theoretisch hört er nirgends auf. Praktisch kann ich das Unendliche aber nicht erfassen. Wenn ich mich also mit diesen Jugendlichen über Kunst und Kultur unterhalten will, dann sind beide Seiten darauf angewiesen, ihren eigenen Kunst- und Kulturbegriff um den des Gegenübers zu erweitern. Um nicht gleichzeitig von allem zu reden, aber alle vom Gleichen.»

      Katarina Tereh (Projekt: Die Kunstnäher_innen)

    • ... ist anti-essentialistisch und entwirft Alternativen zu begrifflichen, oft geschlechtlich konnotierten Oppositionen wie «Theorie – Praxis», «angewandt – frei» oder zu disziplinären Oppositionen wie «Kulturwissenschaft» versus «Didaktik».


      «Wenn es hier an der Hochschule darum geht, für etwas zu kämpfen, dann z.B. dafür, dass ‹Didaktik› als terminus technicus anerkannt wird.»

      Anna Schürch


      «Im Rahmen eines Kooperationsprojekts zwischen mehreren Theatern und Schulen (Jump & Run) ging es für mich darum, die Zusammenarbeit zwischen Künstler_innen und Lehrer_innen forschend zu begleiten. Bei der Auswertung der Interviews ist mir aufgefallen, dass ‹Kunst› mit Begriffen wie Produzieren, Kreieren und Erschaffen konnotiert wurde. Schule wurde demgegenüber mit Begriffen verknüpft, die auf Reproduktion verweisen – zum Beispiel ‹wiederholen›, ‹einüben›, ‹trainieren› oder ‹nachvollziehen›. Aus den Ausführungen der Befragten sprach eine gesellschaftlich verbreitete Hierarchisierung entlang der Entgegensetzung von Produktion und Reproduktion, die das Produktiv-Sein für wertvoller erachtet als das Reproduzieren. Die Logik dieses Sprachspiels legt es nahe, Kunst als positiv konnotierte ‹progressive Entgrenzung› und Schule als negativ konnotierte ‹Begrenzung des Individuellen› zu sehen. Anders gesagt: Schule steht für ‹Ordnung› und Kunst für ‹das Andere der Ordnung›.

      Bei meiner Arbeit an den Interviews habe ich feststellen können, dass dem je eigenen Blick die ihm vorausgehende Formierung sowie daran geknüpfte Wertungen in der Regel uneinsichtig bleiben. Daher werden bestehende ‹essentialisierende› Zuschreibungen fortgeschrieben, die das Andere auf ein So-und-So-Sein fixieren: Schule ist normierend, Kunst ist befreiend oder: Schule geht auf Nummer sicher, Kunst sucht das Risiko oder: Schule ist für später wichtig, Kunst ist kreativer Ausgleich. Dabei ist es eben möglich (und findet in der Praxis statt), die gewohnten Zuschreibungen aufzulösen und sie als das begreifbar zu machen, was sie sind: soziale, kulturell formierende Konstrukte von Wirklichkeit.

      Der Anspruch anti-essentialistisch arbeiten zu wollen, hatte für mich – der ich künstlerisch ausgebildet bin – im konkreten Projekt zur Folge gehabt, dass ich im Zuge der Auswertung des Interviewmaterials auch auf eigene essentialisierende Zuschreibungen aufmerksam wurde.»

      Sascha Willenbacher (Projekt: Jump & Run)

    • ... ist nicht heteronormativ.

      Die Forschung am IAE berücksichtigt die aktuellen Erkenntnisse der Geschlechterforschung und ist daher niemals heteronormativ.

      «Entgegen der Heternorm zu denken heisst für mich, davon auszugehen, dass unser vergeschlechtlichtes erotisches Erleben, unser ‹privates› Intimleben in anderen Lebens- und Arbeitsbereichen wirkmächtig ist und mitgedacht werden muss. Quer denken kann heissen, den Blick zu schärfen für das was als normal angenommen wird, was scheinbar keinerlei Erklärungen bedarf. Kann heissen, kontraintuitiv vorzugehen und Denkweisen zu hinterfragen, die immer schon lösungsorientiert sind. Ausschau zu halten nach dem was fehlt, nach denjenigen, die nicht da sind und danach zu fragen, wessen Zukunft denn gemeint ist in zukunftsorientierten Hochschulpraxen. Kann heissen, Unterschiede aufzudecken und diese – im Sinne eines strategischen Essentialismus – fruchtbar zu machen. Oder identitäre Logiken entnaturalisieren, sie in einen historischen und geopolitischen Zusammenhang zu stellen, sie ad absurdum zu führen. Gegen den Strom denken kann heissen, dass was als negativ und unproduktiv gilt, erstmals stehen zu lassen und sich das Unbehagen, das Konflikthafte anzueignen, ohne schon eine Lösung parat zu haben.»

      Serena Dankwa


      «In Quellen aus den 70er-Jahren ist von ‹Zeichenlehrern› die Rede. Zeichenlehrerinnen gab es damals auch, aber waren sie tatsächlich mitgemeint? Ab welchem Zeitpunkt ist die Schreibweise ‹ZeichenlehrerInnen› möglich, ab wann ‹Zeichenlehrer_innen›?»

      Anna Schürch (Projekt: Geschichte/n des Kunstunterrichts, Dissertation)

    ... ist herrschaftskritisch.

    Die Arbeit berücksichtigt die historisch gewachsenen Herrschaftsverhältnisse und Hierarchien, welche die Felder Kunst und Bildung u.a. durch Eurozentrismus und Ökonomisierungstendenzen weltweit durchkreuzen und entwickelt mit ihren Methoden und Fragestellungen Vorschläge zu deren Verschiebung.
     

    «Das Projekt ‹Another Roadmap School› beschäftigt sich mit den kolonialen Geschichten, wie Konzepte von Bildung und Kunst über den Globus gewandert sind und angeeignet wurden. Forschungsgruppen in 22 Städten arbeiten in dem Netzwerk zusammen, um die Geschichte, die Politiken und Alternativen kultureller Bildung im globalen Kontext zu untersuchen. Eurozentrismus und die Hierarchien zwischen akademischem und Praxiswissen sowie die ‹Geopolitik des Wissens› lassen sich aber nicht einfach nur als Forschungsgegenstand behandeln, sondern sind die zentralen Probleme der Projektorganisation selbst, gegen die alle Beteiligten anarbeiten und die doch immer wieder zurückkehren. Zum Beispiel in der Kommunikation: Englisch als einzige Kommunikationssprache produziert Ausschlüsse und wiederholt die imperiale Struktur. Aber wie schafft man Videokonferenzen in mehreren Sprachen zugleich? Wie kann man in einem so verstreuten Netzwerk und unter prekären Bedingungen die kollektive Aufmerksamkeit aufrechterhalten, dass nicht – wenn es schnell gehen muss – doch die Übersetzung leidet? Das Netzwerk wird von einem Komitee aus Mitgliedern unterschiedlicher Forschungsgruppen geleitet, um eine Wiederholung der üblichen Machtstrukturen zwischen denen, die einfacheren Zugang zu Ressourcen haben (die an Universitäten sitzen, und im globalen Norden) und solchen Mitgliedern, die schwerer darauf Zugriff haben (prekär beschäftigte und Freelancer, und im globalen Süden) entgegenzuwirken. Wie lässt sich eine dezentrale Struktur und rotierende Leitung aufrechterhalten, wenn das Projekt auf Unterstützung aus einer Förderlandschaft angewiesen ist, die weitgehend von den beschriebenen Hierarchien geprägt ist?»

    Nora Landkammer (Projekt: Another Roadmap School)


    «Die Herrschaft zuerst entdecken, um sie dann zu hinterfragen. Umgekehrt geht es nicht. Deshalb nimmt sich das Projekt ‹die Kunstnäher_innen› Zeit, die Zürcher Kunst- und Kulturlandschaft zu entdecken und sich selber darin auszuprobieren. Die Jugendlichen Teilnehmer_innen erarbeiten sich somit ein reflektiertes Verhältnis zu Kunst und Kultur. Ziel ist es, dass die jungen Leute am Ende des Projektes selber entscheiden und begründen können ob, wo genau und wie sie sich weiter innerhalb des Kunstfeldes bewegen wollen, bzw. was sie dem Bestehenden entgegensetzen möchten.»

    Katarina Tereh (Projekt: Die Kunstnäher_innen)

    • ... nimmt antirassistische und antisexistische Perspektiven ein.

      Die Forschung am IAE positioniert sich mit ihren Methoden und Fragestellungen parteiisch im Sinne eines politischen Antirassismus und Antisexismus.

      «Während des Ko-Forschungsprozesses in Art.School.Differences fallen im Verlaufe von Textdiskussionen und Workshops einzelne problematische Äusserungen mit teils rassistischen und/oder sexistischen Inhalten. Solche Statements sind weniger Ausdruck einer persönlichen Ignoranz oder Borniertheit, sondern zeugen von einer politischen und institutionellen Akzeptanz von Sexismus und Rassismus, die wir durch das Projekt Art.School.Differences hinterfragen möchten. Ihre Benennung und Sichtbarmachung in einem laufenden Arbeitsprozess birgt Konfliktpotential und führt zu Unstimmigkeiten, die die weitere Zusammenarbeit verkomplizieren. Trotzdem ist eine Thematisierung in diesem konkreten Zusammenhang wichtig, da nur dadurch auch unsere persönlichen Verstrickungen mit ausgrenzenden und diskriminierenden Praktiken und Strukturen deutlich werden. Im Laufe unserer Forschungsarbeit haben wir deshalb gemerkt, dass Art.School.Differences zusätzlich zu einem Empfehlungsheft auch Stellungnahmen zu Vorkommnissen schreiben sowie durch Gespräche und Mitgestaltung von Ereignissen zu einer erhöhten Sensibilisierung beitragen muss.»

      Philippe Saner (Projekt: Art.School.Differences)



      «In dem Projekt mit der Nürtingen-Grundschule Berlin soll die Schule als ein Ort begriffen werden, der sich in die Gesellschaft hinein öffnet. Konkret bedeutet das, dass Künstler_innen und Kulturschaffende in die Schule einziehen werden. Wer das sein wird, soll gemeinsam mit der Schulgemeinschaft entschieden werden. Diesen Prozess begleite ich als Mitarbeiterin des IAE. Die Schulgemeinschaft ist heterogen, wobei 40% der Schüler_innenschaft migrantischer Herkunft sind. Das ist deswegen bedeutend, weil die Kategorien „Herkunft, religiöse Zugehörigkeit und Ethnie“ die machtvollsten sind, die eine Ordnung in der Schule herstellen – sowohl in der Elternschaft, bei den Schüler_innen als auch bei den Lehrenden. Mein Anliegen wäre es jene Akteure in die Schule zu holen, die für eine Unterbrechung dieser Ordnung sorgen. Doch schon allein bei der Zusammenstellung eines Gremiums, was entscheiden soll, wer einziehen wird und wer nicht, wird die Kategorie Migrant_in – Nicht-Migrant_in auch für mich leitend. So wie bei der Idee zu einer Kooperation mit einer internationalen Musikschule, die sich auf die Vermittlung traditioneller türkischer Instrumente spezialisiert hat. Der Grat zwischen einer Reproduktion der herrschenden Ordnung und ihrer Unterbrechung in der konkreten Projektumsetzung ist sehr, sehr schmal.»

      Anna Chrusciel (Projekt: Tür an Tür: Ausweitung der Schulzone) 

    • ... ist gegenüber Mechanismen der Selbstausbeutung sensibilisiert – und achtet auf faire Arbeitsbedingungen.


      «Lese ich jetzt, Samstagnacht 01:13 Uhr, diese neuen Mails noch? Eines von einer Ko-Forschungsgruppe, eines von der Teamkolleg_in, ein Call for Papers einer queer-feministischen Zeitschrift, Einladungen zu Performances und Konzerten, Newsletter. 1 sehr hohe Priorität, 2 wichtig, 5 nicht wichtig. Oder mache ich dies morgen Sonntag? Oder gar erst am Montag? Zumindest die wichtigen kurz anschauen…

      Solche oder ähnliche Situationen kennen wahrscheinlich viele Menschen, die in künstlerischen oder wissenschaftlichen Projekten arbeiten. Die Grenzen zwischen Arbeit und Freizeit verwischen, Kommunikations- und Informationstechnologien erlauben es, zu jeder Zeit und von vielen Orten aus zu arbeiten – und das heisst heute vor allem erreichbar, connected, zu sein. Es ist ein Gemeinplatz, dass uns dies von institutionellen Hierarchien, repetitiven Tätigkeiten und strikten Arbeitszeitvorschriften befreien soll. Kreatives Arbeiten braucht schliesslich Freiräume.

      Die neoliberale Ideologie der permanenten Leistungsfähigkeit und -bereitschaft, ability, ist in künstlerischen und wissenschaftlichen Feldern besonders effektiv. Als junger, gesunder Mensch ohne Betreuungsaufgaben bin ich lediglich der Arbeit in einem Projekt verpflichtet, was mir anscheinend grösstmögliche Freiheiten gibt. Wenn andere Leute morgens zur Arbeit fahren, habe ich die Möglichkeit noch ruhig weiterzuschlafen. Wenn die Sonne scheint und meine Kolleg_innen in ihren Büros sitzen, könnte ich im Fluss baden gehen. Wenn aber eine Deadline des Projektes ansteht, dann arbeite ich halbe Nächte und Wochenenden durch.

      Was bedeutet also eine Sensibilisierung gegenüber Mechanismen der Selbstausbeutung für die künstlerische und wissenschaftliche Arbeit? Ab wann beute ich mich selbst aus, und ab wann werde ich durch die herrschenden Strukturen ausgebeutet?»

      Philippe Saner

    ... ist sensibilisiert dafür, dass Betreuungsaufgaben von Mitarbeitenden ein Umdenken in der Strukturierung und Organisation von Arbeitsabläufen verlangen.


    «Ich kann Zeit haben, kann Blockzeiten und längere Sitzungen am Abend einrichten, kann auch an Wochenenden Arbeitszeiten einplanen. Ich bin also flexibel. Bei den Betreuungspflichten die ich habe, braucht diese Flexibilität aber auch Zeit: Zeit für die Organisation, Verhandlung, Aushandlung mit Partner_innen, weiteren Betreuungspersonen und Institutionen. Zeit auch für Gegenleistungen und Zeit zum Abwägen von Prioritäten und Treffen von Entscheidungen. Also eine Flexibilität, die nicht spontan abgerufen werden kann.»

    Sophie Vögele


    «Im Frühjahr 2009 habe ich mich auf eine Stelle am IAE in Zürich beworben. Die ausgeschriebene Stelle – die Begleitforschung vom Programm Kulturvermittlung von Pro Helvetia – erschien mir perfekt. Ich wollte diesen Job und wurde von Carmen Mörsch eingeladen. Ich freute mich riesig. Dann, kurz bevor ich zum Vorstellungsgespräch von Berlin, wo ich lebe, nach Zürich fliegen sollte machte ich mir klar, dass ich die Tatsache, dass ich drei Kinder in Berlin hatte bei meiner Bewerbung zunächst einfach ignoriert hatte. Ich gestand mir ein, dass ich das Bewerbungsgespräch absagen musste, um weder meine, noch die Zeit der Anderen weiter zu verschwenden. Ich schrieb Carmen Mörsch, dass das Arbeiten in Zürich unter meinen gegebenen Lebensumständen unmöglich sei und entschuldigte mich dafür, das ich das durch meinen Übereifer für die Stelle, schlicht ignoriert hatte. Sie schrieb zurück ich sollte trotzdem kommen. Alles weitere würden wir sehen. Ich flog nach Zürich und bekam die Stelle. Die Herausforderungen zwischen Berlin und Zürich hin und her zu pendeln, und neben dem Projekt auch Verantwortung für drei Kinder zu haben, haben wir gemeinsam abgewogen und haben die Projektabläufe entsprechend geplant. Wir haben das Projekt im März 2013 erfolgreich zu Ende gebracht. Carmen Mörsch hat sich damals dafür entschieden ein Institut zu leiten, in dem die Lebensumstände der Mitarbeiter_innen nicht unberücksichtigt bleiben. Das konnte ich gerade in den herausfordernden Momenten der letzten 6 Jahre – nicht nur bezogen auf den Balanceakt zwischen Familie und Beruf – immer wieder erfahren und weiß das sehr zu schätzen.»

    Anna Chrusciel

    Was das IAE nicht ist


    Das IAE...

    ...nimmt keine Aufträge an, bei denen anstelle einer kritischen Hinterfragung von Praxis ausschliesslich die akademische Legitimation im Vordergrund steht.

    ...führt mangels der dafür notwendigen Ausstattung keine gross angelegten, quantitativen Studien durch.

    ...arbeitet nicht mit den Instrumentarien der Kognitions- und der neurowissenschaftlichen Forschung, da sich diese nicht im theoretischen Referenzrahmen der Arbeit des IAE bewegen und dementsprechend am Institut die Expertise dazu fehlt.